Glockenläuten und rote Rosen für die Opfer

Gedenkfeier in Winnenden ein Jahr nach dem Amoklauf - Köhler ruft zu mehr Zuwendung auf

Winnenden (epd). Ein Jahr nach dem Amoklauf in Winnenden ist in der schwäbischen Kleinstadt der Opfer gedacht worden. "Es gibt keine endgültigen Antworten, keine letzte Sicherheit vor solchen Gewalttaten", sagte Bundespräsident Horst Köhler am Donnerstag in einer Gedenkstunde vor der Albertville-Realschule. Es müsse aber alles Menschenmögliche getan werden, um die Gefahr von Amokläufen so gering wie möglich zu halten. Zugleich rief Köhler zu mehr Zuwendung und Achtsamkeit im Umgang miteinander auf.

Der Amoklauf eines Jugendlichen in der Kleinstadt bei Stuttgart hatte vor einem Jahr bundesweit Entsetzen ausgelöst. Der 17-jährige Tim K. hatte die Schule am Morgen des 11. März 2009 gestürmt und dort mit der Waffe seines Vaters neun Schüler und drei Lehrerinnen erschossen. Auf der Flucht tötete er drei weitere Menschen, bevor er sich selbst das Leben nahm.

Der Bundespräsident verlas in der Gedenkstunde die Namen der 15 erschossenen Menschen. Er fügte hinzu: "Auch die Familie des Täters hat ein Kind verloren. Auch für sie ist eine Welt zusammengebrochen." Vor Schülern, Eltern, Lehrern und Angehörigen der Opfer sagte Köhler: "Dieser Tag steht dafür, dass alles anders ist, als es vorher war." Das Wichtigste nach der Tat sei: "Wir können alle lernen, gut miteinander umzugehen. Wir können darauf achten, dass niemand abseits bleibt. Wir können mehr Anteil nehmen aneinander, statt achtlos vorüberzugehen."

In einer bewegenden Zeremonie unter freiem Himmel legten Schülerinnen und Schüler Steinplatten mit den Namen der Opfer zu einem Kreis zusammen. Auf jede Steintafel legten sie eine rote Rose. "Wir müssen immer noch täglich mit den Folgen des 11. März leben. Doch wir wollen nicht, dass er unser Leben beherrscht", sagte ein Schüler.

Schüler legen Rosen und Steinplatten mit den Namen der Opfer nieder

Zur Tatzeit um 9.33 Uhr läuteten die Kirchenglocken der Stadt. Bereits zuvor hatten Schulgemeinschaft und Hinterbliebene in einer internen Feier unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Opfer gedacht. Seit dem Amoklauf sind die 600 Schüler in einer provisorischen Containerschule wenige Meter von der Realschule entfernt untergebracht. Nach einem Umbau und einer Erweiterung kann die Schule voraussichtlich ab Sommer 2011 wieder bezogen werden.

Lehrer und Schüler seien an dem Amoklauf nicht zerbrochen, sagte der Winnender Oberbürgermeister Bernhard Fritz. Nach der Tat habe es viel Solidarität gegeben: "Niemand wurde allein gelassen." Auch der neue baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) nahm an der Gedenkfeier teil, verzichtete aber auf eine Ansprache.

Köhler forderte in seiner Ansprache weitere Konsequenzen aus dem Amoklauf. So müsse noch mehr geschehen, damit gefährdete Menschen nicht an Schusswaffen gelangten und Schulen und ähnliche Orte besser vor Anschlägen geschützt seien. Der Bundestag hatte als Konsequenz aus der Tat bereits das Waffenrecht verschärft.

Köhler sprach sich außerdem für "klar definierte Berichterstattungsregeln" für Amokläufe aus, die gemeinsam mit den Medien erarbeitet werden müssten. Detaillierte Berichterstattung über die Täter, ihre Motive und ihre Vorgehensweise rufe Nachahmer auf den Plan, warnte er. "Wir brauchen einen medienübergreifenden Pressekodex im Geist der Prävention."

Zur Diskussion um ein Verbot von Gewalt-Computerspielen sagte Köhler: "Ich finde, hier müssen wir uns gegen eine drohende Verrohung unserer Gesellschaft gemeinsam zur Wehr setzen und Grenzen ziehen."

Zu den Konsequenzen aus der Tat gehören neben der Verschärfung des Waffenrechts intensive Beratungen über Gewaltprävention. Experten haben Empfehlungen vorgelegt, mit denen die Sicherheit an Schulen erhöht werden soll.

11. März 2010