Kirchenrechtler: Islamkonferenz steht am Scheideweg

Frankfurt a. M. (epd). Die Deutsche Islamkonferenz steht nach Auffassung des Kirchenrechtlers Hans Michael Heinig an einem Scheideweg. Bislang sei es um die Erörterung grundlegender Fragen gegangen, jetzt sollten konkrete Ergebnisse erarbeitet werden, schreibt Heinig in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Dienstagsausgabe). Der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland zeigte sich skeptisch, ob sich praktische Lösungen angesichts des geringen Organisationsgrads der Muslime finden ließen.

"Ohne zur Zusammenarbeit bereite und fähige Religionsgemeinschaften darf der Staat weder islamischen Religionsunterricht erteilen, noch Imame an staatlichen Hochschulen ausbilden", führt Heinig aus. Dem weltanschaulich neutralen Staat bleibe nichts anderes übrig, als mit den islamischen Verbänden zusammenzuarbeiten, "die die Gesellschaft hervorbringt". Wenn sich manchen Muslime von den Verbänden nicht vertreten fühlten, müssten sie sich organisieren.

Wegen dieser hohen Bedeutung der Organisiertheit hält Heinig die Suspendierung des Islamrats von der Islamkonferenz für einen Fehler. Es sei verständlich, dass die im Koordinationsrat mit dem Islamrat verbundenen Verbände zur Rücksichtnahme verpflichtet seien und daher ihre Teilnahme an der Konferenz in Frage stellten. Diese Vernetzung sei von der Politik immer wieder gefordert worden. "Deshalb wäre es wohl klüger gewesen, nur Einzelpersonen zu unerwünschten Personen zu erklären und nicht gleich einen ganzen Verband auszuladen", schreibt der Kirchenrechtler.

Heinig warnte vor dem "Diktat des Pragmatischen". Das Modell der Islamkonferenz drohe sich damit zu verselbständigen. Zudem fehlten dem Bund für Schulen und Hochschulpolitik die Kompetenzen, weil die Länder zuständig seien.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat für die Fortsetzung der Islamkonferenz neue Teilnehmer berufen. Den Islamrat suspendierte er, weil gegen desses größtes Mitglied, die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Steuerhinterziehung ermittelt wird. Der Islamrat hat sich im Koordinationsrat der Muslime mit der Türkisch-Islamischen Union (DITIB), dem Zentralrat der Muslime und dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) zusammengeschlossen. Die Verbände haben bislang nicht endgültig beschlossen, ob sie an der Islamkonferenz teilnehmen werden.

30. März 2010