Bischof Friedrich weiht evangelische Kirche in Odessa wieder ein

München/Odessa (epd). Mit einem Festgottesdienst wird am Samstag die evangelische Kirche St. Paul in Odessa (Ukraine) wiedereingeweiht. Das Gotteshaus galt einst als Bauwerk von besonderer kultureller Symbolkraft in der Region. 1976 brannte die Kirche ab und wurde unter maßgeblicher Unterstützung aus Bayern seit 2005 wieder aufgebaut. Die Predigt zur Wiedereröffnung hält der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich.

Zum künftigen "Deutschen Zentrum St. Paul" in der Millionenstadt Odessa am Schwarzen Meer gehören außer der Kirche das "Bayerische Haus Odessa", das verschiedene Projekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Sozialarbeit betreibt, sowie weitere umfangreiche Räumlichkeiten, in denen Sprachkurse und kulturelle Veranstaltungen angeboten werden.

Die Gesamtkosten von rund 7,1 Millionen Euro für die Wiederherstellung der Kirche und einen neuen Funktionsbau trug zum größten Teil die bayerische evangelische Landeskirche, die auf Odessa den Schwerpunkt ihrer Osteuropa-Förderung gesetzt hat. Auch der Freistaat Bayern und der Bund gaben Fördermittel.

Das Zentrum ist auch Sitz der "Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine" (DELKU), die mit der bayerischen evangelischen Landeskirche partnerschaftlich verbunden ist. Die DELKU ist eine Minderheitenkirche mit 34 Gemeinden im ganzen Land. Sie bietet Gottesdienste und Gemeindearbeit in deutscher, russischer und ukrainischer Sprache an. Bischof ist seit dem vergangenen Jahr der bayerische Pfarrer Uhland Spalinger.

Die evangelische Kirche St. Paul wurde 1897 an der Stelle eines älteren Vorgängerbaus am höchsten Punkt der Stadt im neo-klassizistischen Stil erbaut. Jahrzehntelang diente sie Seeleuten als Orientierungspunkt bei der Ansteuerung des Hafens von Odessa. Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zählte die Gemeinde rund 10.000 Menschen.

Wie die meisten evangelischen Gemeinden in der damaligen Sowjetunion wurde sie in den 1920er und 1930er Jahren systematisch zerschlagen. Prominentestes Todesopfer der kommunistischen Verfolgungen war Theophil Richter, Organist an St. Paul und Vater des weltberühmten Pianisten Swjatoslav Richter.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs diente die Kirche zunächst als Fernsehstudio und Turnhalle, bevor sie 1976 durch Brandstiftung zerstört wurde. Die evangelische Kirche bekam die Ruine nach dem Zusammenbruch des Kommunismus zurück übertragen unter der Auflage, die Kirche wiederherzustellen.

14. April 2010


Ein Wahrzeichen der Stadt

Von Natalia Veresova (epd)

München/Odessa (epd). Für jeden kommunistischen Apparatschik war diese Kirche ein Alptraum: am höchsten Punkt der Stadt gelegen, Wahrzeichen einer Metropole, eine Wegmarke für Seeleute, die vom Schwarzen Meer her den Hafen ansteuerten. Die evangelische Kirche St. Paul in Odessa (Ukraine) hatte stets besondere Symbolkraft. 1976 wurde sie durch Brandstiftung zerstört, nun ist sie mit bayerischer Hilfe wieder aufgebaut worden. Am Samstag (17. April) predigt Landesbischof Johannes Friedrich zur Wiedereinweihung.

Katharina II., Zarin von Russland, hatte in der Mitte des 18. Jahrhunderts zahlreiche deutsche Siedler ins Land gerufen. Neben ökonomischen und politischen Vergünstigungen garantierte sie ihnen die Möglichkeit, ihre Sprache, Kultur und Religionsausübung zu bewahren. In Odessa fanden schon 1801, wenige Jahre nach der Gründung der Stadt, erste evangelische Gottesdienste statt. Die Kirche St. Paul wurde 1897 an der Stelle eines älteren Vorgängerbaus im neo-klassizistischen Stil errichtet.

Rund 10.000 Mitglieder zählte die evangelische Gemeinde vor dem Ersten Weltkrieg. In den 1920er Jahren war Theophil Richter, der Vater des weltbekannten Pianisten Swjatoslav Richter Kantor und Organist in St. Paul. 1941 wurde er verhaftet, der Kollaboration mit den Deutschen beschuldigt und erschossen. Über Jahrzehnte gab es danach in Odessa offiziell weder Deutsche noch ein evangelisch-kirchliches Leben. Erst seit der Unabhängigkeit der Ukraine wagen die Menschen es wieder, sich zu ihrer deutschen Nationalität zu bekennen: Bei der letzten Volkszählung taten dies etwa 4.000.

Dass die Paulskirche zwei Weltkriege und die kommunistischen Nachkriegsjahrzehnte überlebte, sei ein reines Wunder gewesen, sagt Jurij Dikij, heute Klavierdozent an der Musikakademie in Odessa. In den 1960er Jahren kämpfte er für die Kirche: "1966 war für das Gotteshaus das gefährlichste Jahr", erinnert sich Dikij. Damals sollte die Kirche gesprengt und an ihrer Stelle ein Studentenheim erbaut werden. Man schrieb nach Moskau mit der Bitte, die Paulskirche zu verschonen. Dikij überbrachte den Brief mit hunderten von Unterschriften, darunter die des Pianisten Emil Gilels und des Geigers David Oistrach, höchstpersönlich ins Ministerium.

Tatsächlich blieb die Kirche dank des Protests der Bevölkerung erhalten. In den nächsten Jahren sammelte man in Odessa Geld für eine Renovierung. Doch am 9. Mai 1976 brannte das Gotteshaus vollständig aus: Feuerwehrleute konnten den Brand nicht löschen, weil die Wassermenge, die die kleinen Lkws lieferten, für das riesige Bauwerk nicht reichte. Man vermutet heute, dass die Verantwortlichen des Wiederaufbaus der Kirche selbst das Feuer gelegt haben, um zu vertuschen, dass die gesammelten Gelder verloren gegangen waren.

Der Weg zum Wiederaufbau war lang und steinig. Zuerst musste mit dem Staat um das Grundstück und die Kirchenruine gerungen werden, dies dauerte fünf Jahre. Auf dem Grundstück befand sich ein ehemaliges Altersheim, in dem 1997 noch 20 Familien in städtischen Wohnungen lebten. Ihre Ausquartierung und der Freikauf des Gebäudes zog sich weitere drei Jahre hin. Erst 2005 konnte der Wiederaufbau des Hauptschiffs mit dem modernen Anbau beginnen.

Zusammen mit den Einrichtungen des bereits in Odessa im Bereich der Wirtschaftsförderung tätigen "Bayerischen Hauses Odessa" soll ein multifunktionales Begegnungs-, Kultur-, Wirtschafts- und Kirchenzentrum, das "Deutsche Zentrum St. Paul", entstehen. Die Gesamtkosten von rund 7,1 Millionen Euro für die Wiederherstellung der Kirche und den neuen Funktionsbau hat zum größten Teil die bayerische evangelische Landeskirche getragen, die in Odessa den Schwerpunkt ihrer Osteuropa-Förderung gesetzt hat. Auch der Freistaat Bayern und der Bund haben Fördermittel beigesteuert.

14. April 2010