EKD: Missbrauchsopfer müssen in Mittelpunkt stehen

Wittenberg (epd). Die Opfer von Missbrauch müssen nach Auffassung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Mittelpunkt des ab Freitag tagenden Runden Tisches stehen. "Das muss sichergestellt sein, bevor Weiteres kommt", sagte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er hoffe, dass sich der Runde Tisch auf Grundsätze zum Umgang mit dem Thema verständigen könne.

Die EKD fordert außerdem, dass es keine Toleranz gegenüber den Tätern geben darf. Mit der Justiz müsse es eine "klare und vorbehaltlose Kooperation" geben, sagte Schneider. Aus den 22 Landeskirchen der EKD seien bislang 28 Fälle von Missbrauchsverdacht aus den vergangenen acht Jahren bekannt geworden. "Darin eingeschlossen sind auch einige Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat, weil eine Straftat nicht nachzuweisen war", erläuterte Schneider, der auch Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland ist. Die Datenlage in den Landeskirchen der EKD sei unterschiedlich.

Vom Runden Tisch, der auf Einladung der drei Bundesministerinnen für Familie, Jugend und Bildung zusammentritt, erwartet Schneider, dass Konsequenzen gezogen werden. "Kinder und Jugendliche müssen in der Erziehung so stark gemacht werden, dass sie sich wehren können", sagte der Theologe. In Schulklassen und in Einrichtungen der Erziehungshilfe müsse über Missbrauch geredet werden: "Dies ist schon ein wichtiger Schritt zur Prävention."

Schneider geht davon aus, dass am Runden Tisch die EKD und die katholische Kirche keine unterschiedlichen Positionen vertreten werden. Nach dem ersten Termin, an dem für die EKD ihr Vertreter bei der Bundesregierung, Prälat Bernhard Felmberg, teilnimmt, werde es ein Gespräch zwischen EKD und katholischer Bischofskonferenz geben. Zur Frage, ob die katholische Kirche stärker als die evangelische Kirche beim Thema Missbrauch betroffen sei, sagte Schneider: "Jede Kirche muss selbst ihre Aufarbeitung leisten und die Konsequenzen daraus ziehen."

Zur Kritik am Augsburger katholischen Bischof Walter Mixa, der vom evangelischen Bischof Sachsens, Jochen Bohl, zum Rücktritt aufgefordert worden war, sagte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende, es habe ihn "sehr beruhigt zu hören, dass der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, im direkten Gespräch mit Bischof Mixa ist". Er wolle aber weder evangelischen noch katholischen Amtsbrüdern über die Medien Empfehlungen geben.

Schneider räumte ein, dass Motive für körperliche Züchtigung auch soziale oder religiöse Faktoren haben könnten. Im Alten Testament heiße es im Buch der Sprüche: "Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten." (Sprüche 13,24) Allerdings müsse man sich vor pauschalen und kurzschlüssigen Folgerungen in acht nehmen. Im Römerbrief des Neuen Testaments heiße es "in aller Klarheit, dass wir 'niemand etwas schuldig sein' sollen, außer dass wir uns 'untereinander lieben'", sagte der rheinische Präses.

20. April 2010


EKD geht mit fünf Erwartungen in Runde-Tisch-Gespräche zum Thema Missbrauch

Wittenberg (epd). Vor der ersten Sitzung des Runden Tisches zum Thema Missbrauch hat der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, konkrete Erwartungen geäußert. "Die evangelische Kirche muss um ihres Anspruchs willen ein eigenes Interesse haben, aufzuklären und dann präventiv zu arbeiten", sagte der rheinische Präses. Schneider nannte in einem epd-Gespräch in Wittenberg fünf Punkte:

1. "Die Situation der Opfer muss absolut an erster Stelle stehen. Das muss sichergestellt sein, bevor Weiteres kommt."

2. "Keine Toleranz gegenüber Tätern."

3. "Klare und vorbehaltlose Kooperation mit der Justiz."

4. "Es müssen Konsequenzen gezogen werden. Kinder und Jugendliche müssen in der Erziehung so stark gemacht werden, dass sie sich wehren können. In Schulklassen und in Einrichtungen der Erziehungshilfe muss die Sache Thema sein. Darüber muss geredet werden. Dies ist schon ein wichtiger Schritt zur Prävention."

5. "Die Frage muss schon bei der Personalauswahl aufgenommen werden, und sie muss in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie von Lehrerinnen und Lehrern eine Rolle spielen."

20. April 2010