EKD-Ratsvorsitzender: Wir stehen Ökumene-Abendmahl nicht im Weg

Frankfurt a.M. (epd). Einem gemeinsamen Abendmahl von Protestanten und Katholiken steht aus Sicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nichts im Wege. "Wir bieten allen getauften Christen eucharistische Gastfreundschaft an", sagte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider dem Evangelischen Pressedienst (epd). Beim Ökumenischen Kirchentag, der am 12. Mai in München beginnt, steht aber mit Rücksicht auf die katholische Kirche kein gemeinsames Abendmahl auf dem Programm.

Nicht die Kirche lade zum Abendmahl ein, "sondern der Herr der Kirche - Jesus Christus - selbst", sagte der höchste Vertreter von rund 25 Millionen Protestanten in Deutschland. Es gebe viele römisch-katholische Theologen, die dies genauso sehen. Der rheinische Präses verwies auf die Vielzahl von konfessionsverbindenden Ehen in Deutschland. "Diese Paare leben in intimster Gemeinschaft, und dann ist die Gemeinschaft am Tisch des Herrn nicht möglich", beklagte Schneider, "da stimmt doch etwas nicht."

Der amtierende EKD-Ratsvorsitzende kritisierte den schleppenden Fortschritt im Miteinander der großen Kirchen. Viele Christen könnten keine Bewegung sehen, sagte Schneider. "Ich kann die Unruhe und Ungeduld vieler Menschen verstehen, die sagen: Wann kommen wir endlich substanziell weiter."

Schneider warb zugleich darum, das Selbstverständnis der katholischen Partner zu respektieren. "Man kann Partner nicht dahin zerren, wohin man sie gern hätte, nämlich an den gemeinsamen Tisch des Herrn", sagte er. Das Abendmahl sei eine Einladung, mit der man behutsam umgehen müsse.

Der Spitzenrepräsentant der EKD nannte als Aufgabe für den ökumenischen Dialog, "uns auf ein gemeinsames Bild und einen gemeinsamen Weg zu verständigen". Im Moment sehe er aber "ein Ziehen und Zerren in unterschiedliche Richtungen". Als Beispiel nannte er Bestrebungen in der katholischen Kirche, aus Sorge um die eigene Identität die Fortschritte des Zweiten Vatikanische Konzils wieder rückgängig zu machen.

Es gebe in der katholischen Kirche aber "immer noch sehr viele, deren Herzen ökumenisch brennen". Dies gelte für die Priesterschaft ebenso wie für die Bischöfe. Namentlich nannte Schneider den Mainzer Kardinal Karl Lehmann, den früheren Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

Vom Ökumenischen Kirchentag erwartet Präses Schneider, dass "Unsäglichkeiten dieser Tage analysiert und beim Namen genannt werden". Er nannte beispielhaft die Weltwirtschaftsordnung. "Die Summe der Boni der Wallstreet-Banker ist größer als das Geld, das den ärmsten 850 Millionen Menschen zur Verfügung steht, beklagte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende. "Hier läuft etwas völlig aus dem Ruder."

Es scheine, dass das Paradigma einer grenzenlos wachsenden Wirtschaft ans Ende gekommen sei und zu einer Zerstörung der Lebensgrundlagen führe. Viele Menschen seien ratlos. Schneider: "An dieser Stelle würde ich mir wünschen, dass auf dem Ökumenischen Kirchentag Antworten gefunden werden."

04. Mai 2010


Das Interview im Wortlaut:

"Viele sehen keine Bewegung"

Der amtierende EKD-Ratsvorsitzende beklagt schleppende Fortschritte in der Ökumene

München (epd). Ungeduld angesichts des langsamen Fortschreitens der Ökumene hält der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, für verständlich. Man könne die ökumenischen Partner aber nicht an den gemeinsamen Tisch des Herren zerren, sagte Schneider in einem Interview des Evangelischen Pressedienstes (epd). An der "Vorstellung der versöhnten Verschiedenheit" führt für ihn jedoch kein Weg vorbei. Vom Ökumenischen Kirchentag erwartet Schneider auch Auseinandersetzungen mit der Situation in Afghanistan und mit weltweiter Ungleichheit. Mit dem amtierenden EKD-Ratsvorsitzenden sprach Thomas Schiller.

epd: Zum zweiten Mal in sieben Jahren findet wieder ein Ökumenischer Kirchentag statt. Was sind Ihre Erwartungen an München?

Nikolaus Schneider: "Damit Ihr Hoffnung habt" heißt die Losung des Kirchentags. In vielerlei Hinsicht ist es wichtig, Zukunftsperspektiven zu erarbeiten. Die Erwartung an die Kirchen, für Hoffnung einzutreten, kann aber nicht heißen, dass wir "weiße Salbe" für alle Unsäglichkeiten dieses Lebens ausgeben. Zur Hoffnung gehört, dass die Unsäglichkeiten dieser Tage analysiert und beim Namen genannt werden.

epd: Die Schlagzeilen werden beherrscht vom Missbrauchs-Skandal auch in der Kirche. Welche Rolle spielt da in München überhaupt noch das eigentliche Thema Ökumene?

Schneider: Die Ökumene wird ein großes Thema sein. Ich kann die Unruhe und Ungeduld vieler Menschen verstehen, die sagen: Wann kommen wir endlich substanziell weiter? Viele sehen keine Bewegung. Andererseits gilt: Wir haben Partner, deren Selbstverständnis wir zu respektieren haben. Man kann Partner nicht dahin zerren, wohin man sie gern hätte, nämlich an den gemeinsamen Tisch des Herrn. Das Abendmahl ist eine Einladung, und mit einer Einladung geht man behutsam um.

epd: Wo ist das Hindernis für ein gemeinsames Abendmahl, das ja eine Messlatte für ökumenischen Fortschritt bleibt?

Schneider: Von evangelischer Seite steht einem gemeinsamen Abendmahl theologisch nichts im Wege. Wir bieten allen getauften Christen eucharistische Gastfreundschaft an, weil nicht die Kirche zum Abendmahl einlädt, sondern der Herr der Kirche - Jesus Christus - selbst. Es gibt viele römisch-katholische Theologen, die das genauso sehen. Es gibt auch eine große Zahl von Familien in unserem Land, die in ökumenischer Verbundenheit leben. Das sollen ja nicht konfessionsverschiedene, sondern konfessionsverbindende Ehen sein. Diese Paare leben in intimster Gemeinschaft, und dann ist die Gemeinschaft am Tisch des Herrn nicht möglich? Da stimmt doch etwas nicht. Ich kann deren Ungeduld gut verstehen.

epd: Statt eines Abendmahls steht am Kirchentags-Freitag eine Tischgemeinschaft nach orthodoxem Ritus auf dem Programm des Ökumenischen Kirchentags. Ist das Missverständnis nicht programmiert, dies als gemeinsames Abendmahl zu interpretieren?

Schneider: Diese Art der Mahlfeier ist eine Art Tischgebet, das man miteinander hält. Es ist sicher schon allen klar, was da passiert. Gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und Brot zu teilen, in der Kommunion des Brotes Gemeinschaft zu erleben, finde ich auch richtig.

epd: Wie sieht Ihre ökumenische Vision aus?

Schneider: Ich bin der Meinung, dass an der Vorstellung der versöhnten Verschiedenheit kein Weg vorbeiführen kann. Nur wenn wir uns auf Augenhöhe als Kirchen begegnen, können ökumenische Beziehungen in eine gute Zukunft führen. Die katholische Lehre in den Spuren von "Dominus Iesus" führt bisher in eine andere Richtung. Ich wüsste aber gerne, wie es dann gehen soll. Der Papst hat angedeutet, dass Gemeinsamkeit bei der Taufe möglich ist. Ob das wirklich ausreicht als Band, das uns zusammenhält? Es ist ein schönes Bild, aber was heißt das für die weitere ökumenische Entwicklung? Das ist mir noch nicht ganz klar.

epd: Einerseits läuft das ökumenische Gespräch in Kreisen von Theologieprofessoren, andererseits tut sich viel an der kirchlichen Basis. Stehen diese Ebenen noch irgendwo in Verbindung?

Schneider: Für diese Verbindung müssen wir wieder stärker sorgen. Es wurde schon ganz viel verabschiedet und beschlossen, das kaum bekannt ist. Ich weiß nicht, inwieweit unsere Pfarrerschaft das zur Kenntnis genommen hat. Ich fürchte, eher nicht. Es ist eher Spezialwissen. Hier haben wir Nachholbedarf. Denn kleine Schritte sind besser als gar keine.

epd: Bewerten Sie die Entwicklung seit dem 1. Ökumenischen Kirchentag 2003 eher positiv oder eher als Verhärtung?

Schneider: Es bleibt dabei: Wir haben die Aufgabe, uns auf ein gemeinsames Bild und einen gemeinsamen Weg zu verständigen. Ich sehe im Moment ein Ziehen und Zerren in unterschiedliche Richtungen. Innerkatholisch gibt es eine Bewegung, die versucht, die durch das Zweite Vatikanische Konzil geöffneten Türen und Fenster möglichst weit wieder zu schließen aus Sorge um die eigene Identität. Es gibt aber auch das Bemühen, diese Fenster offen zu halten und das Zweite Vatikanum im Sinne des Konzils weiterzuentwickeln.

epd: Auf der evangelischen Seite hat Ihr Vorgänger Wolfgang Huber eine "Ökumene der Profile" propagiert. War das hilfreich?

Schneider: Es gibt auch auf evangelischer Seite die Sorge um das Verlieren der eigenen Identität. Wolfgang Huber meinte mit Ökumene der Profile: Wenn wir erkennbar sind mit unserem Profil, erleichtern wir das gemeinsame Gespräch. Dann weiß der andere, mit wem er es zu tun hat, und dann kann man gemeinsam besser vorankommen. Natürlich kann der Ausdruck auch sehr abgrenzend benutzt werden, so dass es auf ein Sich-gegeneinander-Profilieren hinausläuft. Dann ist er nicht weiterführend.

epd: Hat die katholische Kirche bei dem Druck, der gegenwärtig auf ihr lastet, überhaupt die Gelassenheit, sich auf ökumenische Diskussionsprozesse einzulassen?

Schneider: Es gibt immer noch sehr viele, deren Herzen ökumenisch brennen, in der Priesterschaft, aber auch bei den Bischöfen. Ich habe neulich einen Artikel von Kardinal Karl Lehmann gelesen, der war voller ökumenischer Dimensionen und Angebote.

epd: Friedensethik gehört seit vielen Jahren zum festen Bestandteil des Kirchentags-Themenspektrums. Wird dies nach den jüngsten Ereignissen in Afghanistan ein besonderes Gewicht bekommen?

Schneider: Natürlich. Wir werden sicher zur Sprache bringen, was in letzter Zeit in Afghanistan passiert ist. Das Bewusstsein dafür, dass dort Krieg geführt wird, wächst. Es wird eine eigene Diskussion darüber geben müssen, ob das, was wir friedensethisch formuliert haben, dieser neuen Herausforderung Stand hält. Ich glaube, dass wir die politische Diskussion weiter beeinflussen müssen.

epd: Wie soll das geschehen?

Schneider: Das kann nicht in einer simplifizierenden Weise geschehen, indem man sagt: Alle Truppen sofort raus aus Afghanistan, oder sie sollen solange drin bleiben, bis der Gegner niedergerungen ist. Beides führt nicht weiter. Wir brauchen vielmehr eine Debatte, die zum einen fragt: Was waren eigentlich die Ziele, weswegen die Bundeswehr in Afghanistan hineingegangen ist? Und die zum anderen fragt: Was sind die Ziele heute? Haben sich die Mittel bewährt, die man angewandt hat? Und welche Mittel bräuchte man eigentlich? Wie müssen sie ausgestaltet sein? Wie sieht der Zeitrahmen aus? Wie kann man für Übergänge sorgen? Wichtig ist auch die Frage: Wie kann man den Einsatz beenden? Wir wollen doch keine Besatzer auf ewig werden. Afghanistan soll doch aus eigener Kraft und Autorität heraus wieder seine eigene Sicherheit garantieren können. Diese elementaren Fragen werden auf dem Ökumenischen Kirchentag eine besondere Rolle spielen.

epd: Sie haben davon gesprochen, die Unsäglichkeiten der Welt müssten beim Kirchentag beim Namen genannt werden. An welche Themen denken Sie konkret?

Schneider: Die Summe der Boni der Wallstreet-Banker ist größer als das Geld, das den ärmsten 850 Millionen Menschen zur Verfügung steht. Hier läuft etwas völlig aus dem Ruder. Es scheint, dass das Paradigma einer grenzenlos wachsenden Wirtschaft ans Ende gekommen ist und in hohem Maße zu einer Zerstörung der Lebensgrundlagen führt. Viele sind ratlos, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Viele fragen sich: Wie kommen wir zu einem qualitativen Wachstum und wie setzt man das in einer Volkswirtschaft um? An dieser Stelle würde ich mir wünschen, dass auf dem Ökumenischen Kirchentag Antworten gefunden würden.

epd: Erstmals seit ihrem Rücktritt wird Margot Käßmann beim Kirchentag in München wieder öffentlich auftreten. Wie wird die Kirchentagsgemeinde sie aufnehmen?

Schneider: Voller Freude.

epd: Und die Bischofskollegen?

Schneider: Auch wir freuen uns, Margot Käßmanns Stimme in der Öffentlichkeit wieder zu hören. Sie hat Gaben, die viele von uns so nicht haben. Die brauchen wir. Deshalb freue ich mich, dass Margot Käßmann zum Ökumenischen Kirchentag kommt!

04. Mai. 2010