Im Schatten der Krise

Vor dem 2. Ökumenischen Kirchentag mahnt Bundespräsident Köhler Katholiken und Protestanten zu mehr Gemeinsamkeit

Von Rainer Clos (epd)

München (epd). Vor dem 2. Ökumenischen Kirchentag, der an diesem Mittwoch in München beginnt, bedauern die Organisatoren fast den Medienrummel um die Kirchen. "Was unter anderen Vorzeichen gut wäre, diesmal wünschte ich, es wäre still um beide Kirchen", notierte die evangelische Theologin und Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär.

Im Blick hatte sie dabei die öffentliche Aufmerksamkeit, die sich auf beide christliche Kirchen in den zurückliegenden Wochen und Monaten richtete. Für Schlagzeilen sorgte neben dem Rücktritt von Margot Käßmann als herausragende Repräsentantin der evangelischen Kirche nach einem offen eingestandenen Fehlverhalten auch die Enthüllungen sexueller Übergriffe in kirchlichen, vor allem katholischen Einrichtungen.

Die katholische Kirche in Deutschland befindet sich in einer massiven Glaubwürdigkeitskrise, wie selbst Bischöfe ganz offen einräumen. Dass der Vertrauensverlust alarmierende Ausmaße annimmt, zeigen auch die Zahlen. Die Austritte sind in einigen Bistümern steil in die Höhe geschnellt. Vor einem Monat ergab ein Umfrage, dass die katholische Kirche in Deutschland noch weniger Vertrauen genießt als Großbanken und Parteien.

Wenige Tage vor dem Ökumenischen Kirchentag zog Papst Benedikt XVI. mit der Annahme des Rücktrittsgesuchs des bisherigen Augsburger Bischofs Walter Mixa einen Schlussstrich unter ein belastendes Kapitel. Nun biete sich die Chance für einen Neuanfang, der Weg der Erneuerung müsse fortgesetzt werden, wirbt der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Mit seinem Leitwort "Damit ihr Hoffnung habt" könne dazu auch der Ökumenische Kirchentag beitragen, dessen 3.000 Veranstaltungen umfassendes Programm um zwei Podien zum Thema Missbrauch ergänzt wurde.

Die katholische Kirche befinde sich derzeit in einer schlechteren Position, räumte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick im "Spiegel" ein. Und der Oberhirte fügte hinzu: "Ich freue mich auch, wenn die evangelische Kirche gut dasteht." Von Triumphgefühlen ist bei den Vertretern der evangelischen Kirche dennoch nichts zu spüren.

Stattdessen gibt es von prominenten Protestanten Zuspruch für die katholische Kirche. "Moralintriumphale Besserwisserei-Äußerungen" seien fehl am Platze, sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Präsidiumsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentages, dem epd. Die Kraft, mit der in der katholischen Kirche über das Missbrauchsthema diskutiert werde, verdiene Respekt.

Die evangelische Kirche folgt dem Ratschlag, den EKD-Kirchenamtspräsident Hermann Barth einmal gab: "Die Kirchen brauchen einander, weil sie sich gegenseitig ergänzen und korrigieren. Die Stärken sollten wir uns zum Vorbild nehmen und mit den Schwächen barmherzig umgehen."

Generalsekretär Stefan Vesper vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken findet, das Miteinander der beiden Konfessionen vor dem Kirchentag sei jederzeit fair gewesen. Der gute Draht, der zwischen Landesbischof Johannes Friedrich und Erzbischof Reinhard Marx als Gastgebern besteht, trug dazu gewiss bei. "Wir sind in der Gesellschaft umso stärker und überzeugender, wenn wir gemeinsam auftreten", ist Vesper überzeugt. Dies wird nach Erwartung der Veranstalter der Kirchentag unter Beweis stellen, wenn es um die Weltverantwortung der Christen angesichts der großen Zukunftsfragen geht.

Ein gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Protestanten, das sich viele wünschen, wird es in München allerdings nicht geben. Im Programmheft bitten der katholische ÖKT-Präsident Alois Glück und sein evangelischer Kollege Eckhard Nagel die Besucher, auf Provokationen wie auf dem 1. Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin zu verzichten und "während des Ökumenischen Kirchentages in München die in den Kirchen gültigen Regeln zu achten und in Bezug auf Eucharistiefeier und Abendmahl in ökumenischer Sensibilität miteinander umzugehen".

Unmittelbar vor dem Großereignis mahnte Bundespräsident Horst Köhler dennoch zu Fortschritten im Miteinander der christlichen Konfessionen. Angesichts der Suche nach religiöser Orientierung empfahl der Protestant den Kirchen, eine neue innere Mission zu starten.

11. Mai 2010

Das Interview des Bundespräsidenten im Wortlaut (Rheinischer Merkur vom 13. Mai 2010)