Sozialethiker empfiehlt "Befreiungsschlag für soziale Gerechtigkeit"

Wittenberg (epd). Der evangelische Sozialethiker Heinrich Bedford-Strohm hat von der Bundesregierung einen grundlegenden Kurswechsel bei der Bewältigung der Finanzkrise verlangt. Das umstrittene Sparpaket sollte anhand der Kriterien der ökumenischen Soziallehre korrigiert werden, sagte Bedford-Strohm am Donnerstagabend in Wittenberg. Im Interesse Deutschlands sei ein "Befreiungsschlag für soziale Gerechtigkeit" gefragt, sagte der Bamberger Theologieprofessor.

In den Stellungnahmen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wie auch in der Sozialenzyklika des Papstes von 2009 werde unterstrichen, dass die Bewältigung der Wirtschaftskrise nicht auf Kosten der Schwachen erfolgen dürfe. In seltener Einigkeit hätten die Kirchen festgestellt, dass diejenigen, die mit Wohlstand gesegnet sind, zuerst in die Pflicht genommen werden müssten, sagte Bedford-Strohm, der stellvertretender Vorsitzende der EKD-Sozialkammer ist, laut Redetext. Bedford-Strohm sprach bei einer Veranstaltung des Zentrums für evangelische Predigtkultur.

Als Zeichen von Solidaritätskultur wertete es der Theologe, wenn Wohlhabende dazu ihre Bereitschaft zeigten. Umso widersinniger sei es, dass die Bundesregierung wegen "falscher Wahlversprechen" nun an einem ganz "offensichtlich unsinnigen Kurs" festhalte. Die Gefahren für den sozialen Zusammenhalt durch ein als ungerecht empfundenes Sparpaket wögen viel schwerer als der bei einer Kurskorrektur von den Regierungsparteien befürchtete Gesichtsverlust.

Trotz der Krise sei Deutschland ein reiches Land, sagte der evangelische Theologe weiter. Aus der Sicht der christlichen Sozialethik sei Reichtum aber nur dann gesegnet, wenn er dazu diene, den Schwächsten eine gerechte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Die Kirchen forderte Bedford-Strohm auf, in den politischen Entscheidungsprozessen für soziale Gerechtigkeit einzutreten. Auch Vertreter der Regierungsparteien hätten die kirchlichen Stellungnahmen zur Wirtschaft begrüßt. Nun müssten die Kirchen darauf dringen, dass den Worten auch Taten folgten.

18. Juni 2010