Lutheraner-Präsident: Armut wird von Menschen gemacht

Stuttgart (epd). Soziale Ungerechtigkeit, Armut und die Verletzung von Menschenrechten sollen im Mittelpunkt der an diesem Dienstag in Stuttgart beginnenden Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) stehen. "Wenn die Menschen Mangel haben, ist das nicht Gottes Fehler, sondern unserer", sagte LWB-Präsident Mark Hanson am Montag vor Journalisten. Der LWB tagt bis 27. Juli zum Thema "Unser tägliches Brot gib uns heute". Der kirchliche Dachverband repräsentiert weltweit rund 70 Millionen Christen.

Hunger sei für die Menschen in vielen Mitgliedskirchen kein abstraktes Thema, sondern eine tägliche Erfahrung, fügte der US-amerikanische Bischof Hanson hinzu. Dazu gehöre auch der Hunger nach Frieden und Menschenrechten. Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts oder einer Aidserkrankung an den Rand gedrängt werden, sollten in die Mitte der Gemeinschaft geholt werden.

LWB-Generalsekretär Ishmael Noko zeichnete die Entwicklungen nach, die sich seit der letzten LWB-Vollversammlung auf deutschem Boden 1952 in Hannover ereignet haben. Damals habe etwa die lutherische Kirche Tansanias 20.000 Mitglieder gehabt - heute seien es 5,3 Millionen. Während vor 58 Jahren fast keine andere Konfession an der Vollversammlung beteiligt gewesen sei, seien nun in Stuttgart Katholiken, Anglikaner, Reformierte und Freikirchen präsent. Mit den Mennoniten soll es einen Versöhnungsakt geben - sie waren in der Vergangenheit wegen ihrer Glaubenslehre von lutherischen Kirchen zum Teil blutig verfolgt worden.

Noko hofft nach eigenen Worten, dass der innerprotestantische Streit um Homosexualität nicht zum dominierenden Thema der Vollversammlung wird. Auf der Tagesordnung stehe das Thema nicht, doch könne es über die Arbeitsgruppen eingebracht werden. Er wies darauf hin, dass der LWB 2007 einen Ausschuss gebildet habe, der bis 2012 den Diskussionsstand innerhalb der unterschiedlichen Mitgliedskirchen zusammenfassen soll.

Der Bischof der gastgebenden Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, sagte, die Kirchen hätten in einer globalisierten Welt auch eine globalisierte Aufgabe, die Gerechtigkeit zu fördern. "Wer die Barmherzigkeit Gottes erfahren hat, kann sich auf den Weg der Barmherzigkeit machen", so July.

Victoria Cortéz Rodríguez, LWB-Vizepräsidentin und Bischöfin in Nicaragua, warb für eine gleichberechtigte Gemeinschaft von Christen aus armen und reichen Ländern. Es gebe keine Lutheraner erster und zweiter Klasse, betonte sie. Auch die Armen hätten viel zu sagen und viel zu geben.

Der Lutherische Weltbund ist die Dachorganisation von 140 Kirchen. Die meisten Lutheraner gibt es in Deutschland mit knapp 13 Millionen. Zur Stuttgarter Vollversammlung werden rund 2.000 internationale Gäste erwartet, darunter 400 Delegierte.

19. Juli 2010