Streit über Anhebung der Hartz-IV-Sätze

Berlin (epd). Ob die Hartz-IV-Regelsätze erhöht werden sollen, bleibt weiter strittig. Der Bund der Steuerzahler warnte vor einer Anhebung. "Wer Hartz-IV-Sätze anheben will, muss sagen, wo zusätzlich gespart werden soll. Ansonsten kommt die Koalition nicht aus der Schuldenfalle", sagte Hauptgeschäftsführer Reiner Holznagel der "Bild"-Zeitung (Dienstagsausgabe). Kirchen und Paritätischer Wohlfahrtsverband sprachen sich dagegen für eine Erhöhung aus.

Dafür seien notfalls auch höhere Staatsschulden in Kauf zu nehmen, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, dem "Hamburger Abendblatt". Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Leistungen vom Februar habe "wieder neu ins Bewusstsein gerufen, dass der Staat aus Verfassungsgründen ein Existenzminimum zu gewährleisten hat." Dafür sei die Anhebung des Regelsatzes ein wichtiger Schritt.

Auch der württembergische evangelische Landesbischof Frank Otfried July forderte mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger. Die Sätze müssten auf mehr als 400 Euro steigen, sagte der Vorsitzende des Diakonischen Rates dem "Hamburger Abendblatt". Derzeit werden ür einen alleinstehenden Erwachsenen 359 Euro monatlich gezahlt.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte der Bundesregierung aufgegeben, bis Ende 2010 eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage vorzulegen und die Regelleistungen für rund 6,8 Millionen Hartz-IV-Empfänger entsprechend anzupassen. Bis zum Herbst will die Koalition die neuen Sätze berechnen.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, äußerte sich überzeugt, dass die Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger erhöht werden. Die Statistik zu Einkommen und Verbrauch, nach der die Regelsätze berechnet werden, könne nicht beliebig interpretiert werden, sagte er der "Passauer Neuen Presse". Eine Erhöhung sei nach dem Karlsruher Urteil zwangsläufig.

Schneider sagte, bei Kindern könnten Sach- statt Geldleistungen sinnvoller sein. Das gelte etwa für die Nachhilfe sowie für musische oder sportliche Betätigung. Da der Bildungsbereich in den Kinderregelsätzen bisher nicht berücksichtigt worden sei, werde man auch hier um eine zusätzliche Erhöhung der Geldleistung nicht herumkommen.

Als überfällig bezeichnete es Schneider, die Angleichung der Hartz-IV-Sätze von der Rentenanpassung abzukoppeln. "Die Rente zum Gradmesser zu nehmen, war völlig unbegründet. Am sinnvollsten wäre es, die Regelsätze im gleichen Maß zu erhöhen, wie die Lebenshaltungskosten steigen", sagte der Verbandschef. Um das Lohnabstandsgebot zu wahren, schlug er vor, gleichzeitig mit einer Erhöhung der Hartz-IV-Sätze auch bei Kinderzuschlag und Wohngeld nachzubessern: "Diese beiden verhindern, dass Geringverdiener in das Hartz-IV-System fallen." Erhöhte Hartz-IV-Sätze führten sonst automatisch zu immer mehr Empfängern, weil immer mehr Menschen Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld hätten.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, erklärte, höhere Regelsätze für Alleinstehende würden die Anreize schwächen, eine reguläre Arbeit aufzunehmen. Zugleich warnte Zimmermann in der der "Bild"-Zeitung vor einer Koppelung der Hartz-IV-Sätze an die Inflationsrate: "Die Orientierung an den Preissteigerungsraten ist gefährlich." Sie könne dazu führen, dass eine Inflation noch verstärkt werde. Eine Orientierung an den Nettolöhnen bezeichnete Zimmermann dagegen als "plausibel".

03. August 2010