Evangelische Kirchen in Niedersachsen begrüßen Bildungs-Chipkarten für Kinder

Berlin (epd). Die Kritik an Bildungs-Chipkarten für Kinder aus Hartz-IV-Familien und Haushalten mit geringem Einkommen wächst. SPD, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und Arbeiterwohlfahrt (AWO) warnten am Freitag in Berlin vor einer neuen Bürokratie, die viel Geld koste. Sie forderten Investitionen in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen. Auch Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) lehnte die Chipkarten für Hartz-IV-Kinder ab. Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen begrüßten dagegen den Vorschlag.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will bis zum Jahreswechsel Bildungs-Chipkarten für alle Hartz-IV-Kinder einführen. Darüber hinaus will die Bundesregierung den Ländern und Kommunen vorschlagen, Bildungskarten auch für Kinder einzuführen, die nicht aus Hartz-IV-Familien kommen. Die Karten sollen den Zugang zu Musikunterricht und Sportvereinen sowie Schwimmbad- und Museumsbesuche ermöglichen. Hintergrund des Vorstoßes ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV vom Februar. Bei Kindern müssen dem Urteil zufolge Ausgaben für Bildung stärker berücksichtigt werden.

Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Caren Marks, sagte, Kinder müssten vor Ort einen diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe haben. "Gäbe es einen Rechtsanspruch auf den Besuch einer Ganztagsschule inklusive eines warmen Mittagessens sowie ausreichender Sport- und Musikangebote, wäre die aktuelle Debatte über Chipkarten überflüssig", kritisierte Marks.

Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen begrüßten hingegen die geplante Einführung einer Bildungs-Chipkarte für Kinder. "Das ist ein guter Weg", sagte die Bevollmächtigte für Schulangelegenheiten, Oberlandeskirchenrätin Kerstin Gäfgen-Track, in Hannover dem epd. Die Karte komme dem Anliegen der Kirchen entgegen, möglichst viele Kinder und Jugendliche an Bildungsveranstaltungen zu beteiligen. Auch der hannoversche Diakonie-Direktor Christoph Künkel begrüßte den Vorschlag von der Leyens:

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) sagte der "Passauer Neuen Presse" vom Freitag, es dürfe keine "Kinder erster und zweiter Klasse geben". Die Chipkarte erfülle nicht den individuellen Bedarf der Kinder. Auch werde Elternverantwortung nicht gestärkt und Ausgrenzung nicht vermieden. Die Pläne von der Leyens seien "nicht durchdacht und bis zum 1. Januar 2011 nicht leistbar", sagte Haderhauer. Es müssten über eine Million Lesegeräte im ganzen Land angeschafft werden.

Der AWO-Vorsitzende Wolfgang Stadler sagte, mit den Chipkarten würden Eltern, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen seien, unter einen Generalverdacht gestellt. Langfristiges Ziel müsse es sein, die staatlichen Leistungen im Bildungswesen so auszubauen, dass alle Kinder die gleichen Voraussetzungen für eine gute Bildung hätten.

Kritik kam auch vom DGB. Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte der "Passauer Neuen Presse": "Ich befürchte, dass mit dem Bildungschip ein System aufgebaut wird, das zur Stigmatisierung der Kinder von Hartz-IV-Beziehern führt und gleichzeitig die Bürokratie in Deutschland befördert." Sie sprach sich für ein kostenfreies Mittagessen in der Schule für alle Kinder und zusätzliche Angebote am Nachmittag für Kinder mit Lernschwächen aus.

13. August 2010