Kirchenpräsident fordert Umorientierung der Wirtschaft

Jahresempfang des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer

Frankfurt a.M. (epd). Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hat dafür geworben, der Lebensqualität Vorrang vor quantitativem Wirtschaftswachstum zu geben. "Wirtschaftswachstum in Deutschland löst nicht die ökologischen Probleme des Ressourcenverbrauchs, des Klimawandels und auch nicht die sozialen Fragen der tiefer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich im Land und zwischen den Ländern der Erde", sagte der evangelische Theologe beim Jahresempfang des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer in Deutschland am Mittwoch in Frankfurt.

In dem Arbeitskreis sind evangelische Christen zusammengeschlossen, die als Unternehmer oder Führungskräfte in der Wirtschaft tätig sind. Vorsitzender ist Michael Freiherr Truchseß.

Mit Blick auf die Finanzmarktkrise sagte der Vorstandsvorsitzende der DZ-Bank, Wolfgang Kirsch, vor rund 130 Unternehmern, das Aufblähen des Finanzsektors sei mit einer "systemischen Unterschätzung" von Risiken einhergegangen. Es seien dadurch eher "Scheingewinne" als reale volkswirtschaftliche Werte geschaffen worden. Als gute Nachricht" bezeichnete er es, dass die Gruppe der Genossenschaftsbanken ohne Staatsgelder und staatliche Hilfen durch die Krise gekommen sei.

Ein Wirtschaftswachstum, das sich ausschließlich am Bruttoinlandsprodukt orientiert, erfasst nach den Worten Jungs keine Folgekosten, nicht den Ressourcenverbrauch und auch nicht die wertschöpfenden Leistungen in Hausarbeit, Erziehung und Pflege. Es sage nichts aus über die Lebensqualität, die Umwelt und die Verteilungsgerechtigkeit. Dabei habe selbst die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im vergangenen Jahr als Ziele des Fortschritts den Zustand des Ökosystems und das menschliche Wohlergehen benannt.

Wenn Wachstum ausschließlich mit dem Bruttoinlandsprodukt gemessen und dessen Steigerung zum vorrangigen Ziel der Wirtschaftspolitik erhoben werde, drohe es zu einem Götzen zu werden, sagte Jung. "Woran Du Dein Herz hängst und Dich darauf verlässt, das ist eigentlich Dein Gott", zitierte er den Reformator Martin Luther. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau erteilte Forderungen nach Wachstumsverzicht eine Absage. "Gott ist nicht wachstums- und wohlstandsfeindlich", betonte Jung. Nach der Bibel stehe der Mensch inmitten der Schöpfung unter dem Wachstumssegen Gottes.

Auch die Kirche spüre höhere Steuereinnahmen, die zusätzliches Wachstums bringe, sagte Jung. Angesichts des Bevölkerungsrückgangs müsse sich Kirche allerdings darauf einstellen, "dass wir in Zukunft mit weniger auskommen müssen und dennoch die Qualität erhalten." Menschen zu halten und zu gewinnen bleibe zentrales Anliegen der Kirche. Äußeres Wachstum sei allerdings nicht der alleinige Maßstab, sagte der leitende Theologe der hessen-nassauischen Kirche.

16. September 2010

Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer