Gern und Meister kandidieren für Bischofsamt in Hannover

Kirchenparlament entscheidet Ende November über Käßmann-Nachfolge

Hannover (epd). Der hessen-nassauische Diakoniechef Wolfgang Gern (59) aus Frankfurt am Main und der Berliner Generalsuperintendent Ralf Meister (48) bewerben sich um das evangelische Bischofsamt in Hannover. Sie wurden vom Kirchensenat der evangelisch-lutherischen Landeskirche als Kandidaten für die Nachfolge der früheren Landesbischöfin Margot Käßmann benannt, wie die Pressestelle in Hannover mitteilte.

Die 77 Kirchenparlamentarier in der Landessynode wählen den neuen Bischof während ihrer Herbsttagung vom 23. bis 26. November. Käßmann war im Februar nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss von ihrem Amt zurückgetreten. Die hannoversche Landeskirche ist mit knapp drei Millionen Mitgliedern in rund 1.400 Gemeinden zwischen Harz und Nordsee die größte evangelische Landeskirche in Deutschland.

Wolfgang Gern leitet seit 2000 das Diakonische Werk in Hessen und Nassau mit insgesamt mehr als 15.000 Mitarbeiter. Als Sprecher der Nationalen Armutskonferenz tritt der 59-jährige gebürtige Berliner seit 2007 zugleich bundesweit für die Belange armer Menschen und soziale Gerechtigkeit ein.

Immer wieder fordert der promovierte Theologe die Bundesregierung zum Kampf gegen die Armut auf, prangert Lohndumping an und protestiere gegen die seiner Meinung nach zu niedrig bemessenen Hartz-IV-Sätze. Der verheiratete Vater eines erwachsenen Sohnes arbeitete als Hochschulassistent in Heidelberg und als Pfarrer im Odenwald. Später leitete er das Seminar der Gossner Mission in Mainz und war als Lehrbeauftragter für Sozialethik an der Universität Marburg tätig.

Ralf Meister ist seit dem Frühjahr 2008 Generalsuperintendent in Berlin. Bundesweit wurde der 48-Jährige in den vergangenen sechs Jahren vor allem als Sprecher des "Wortes zum Sonntag" im ARD-Fernsehen bekannt. Dabei ist ihm wichtig nach eigener Darstellung wichtig, vom normalen Leben der Menschen und ihrer Suche nach Gott zu erzählen. Gerade in schwierigen Zeiten sei es die Rolle der Kirche, Resignation zu verhindern.

Der gebürtige Hamburger studierte evangelische Theologie und Judaistik in seiner Heimatstadt und in Jerusalem. Berufliche Stationen des verheirateten Vaters von drei Kindern waren unter anderen das Rundfunkreferat in Kiel und die Propstei in Lübeck. In Berlin will er sich nach eigenen Worten "nicht mit dem verbreiteten Gewohnheitsatheismus" abfinden und sucht nach Möglichkeiten, das Evangelium kreativ in die Öffentlichkeit zu bringen.

Bei der Bischofswahl in Hannover ist in den beiden ersten Wahlgängen eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Im dritten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit. Zwischen den Wahlgängen müssen mindestens zwölf Stunden liegen. Der Kirchensenat, der die Kandidaten nominierte, ist ein Runder Tisch, an dem Vertreter aus allen kirchenleitenden Gremien zusammenkommen. Er ist auch Dienstvorgesetzter des Bischofs.

17. September 2010


Schockstarre im Februar, Wahl im November

Zwei Männer als mögliche Käßmann-Nachfolger in Hannover nominiert

Von Ulrike Millhahn und Michael Grau (epd)

Hannover (epd). Wer für das Bischofsamt in Hannover kandidiert, braucht starke Nerven. Das wird auch Wolfgang Gern und Ralf Meister so gehen, wenn sie sich vom 23. November an dem Kirchenparlament zur Wahl stellen. Ihre Vorgängerin Margot Käßmann musste im Juni 1999 drei Tage auf der Gästebank im Muttersaal der Henriettenstiftung ausharren. Im dritten Wahlgang erreichte sie schließlich mit sieben Stimmen Vorsprung die nötige Mehrheit in der Synode.

Gern und Meister sind profilierte Kandidaten. Der 59 Jahre alter hessen-nassauische Diakonie-Chef Gern steht als Sprecher der Nationalen Armutskonferenz für eine sozialpolitische Ausrichtung. Der 48-jährige Berliner Generalsuperintendent Meister gilt als versierter Prediger und Medienprofi, bundesweit bekannt ist er als Sprecher des "Wortes zum Sonntag". Nach dem Wahlgesetz muss einer von ihnen in den ersten beiden Wahlgängen eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen, im dritten Durchgang genügt die einfache Mehrheit. Zusätzlich ist noch eine zeitliche Klausel eingebaut: Zwischen den Wahlgängen müssen mindestens zwölf Stunden liegen, damit sich die 77 Synodalen ausgiebig beraten können.

In Deutschlands größter evangelischer Landeskirche zwischen Harz und Nordsee gehen die Menschen die Dinge gern in Ruhe an. "Die Niedersachsen sind nüchterne und darum verlässliche Leute", sagte der ehemalige Landeskirchenamtspräsident Eckhart von Vietinghoff. Umso schockierter reagierte die Landeskirche deshalb im Februar auf den völlig unerwarteten Rücktritt ihrer Landesbischöfin nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss.

Für einen Moment breitete sich allerorten eine Art Schockstarre aus, doch die Kirchenverfassung hat auch für Extremsituationen einen Notfallplan bereit. Der Stellvertreter der Bischöfin, der Lüneburger Landessuperintendent Hans-Hermann Jantzen, sprang ein, obwohl er ganz andere Pläne hatte. Eigentlich wollte er sich Ende September mit dann 65 Jahren in den Ruhestand verabschieden. Den Ratsvorsitz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), den Käßmann ebenfalls niedergelegt hatte, übernahm derweil ihr EKD-Stellvertreter Nikolaus Schneider (63). Er soll nach dem Willen des Rates auch dauerhaft an der Spitze der deutschen Protestanten stehen.

Der hannoversche Kirchensenat machte sich derweil auf eine monatelange Suche nach Kandidaten für das höchste Amt der Landeskirche. Je mehr Zeit verging, desto heftiger brodelte die Gerüchteküche.

Seit Donnerstagabend hat nun alle Spökenkiekerei ein Ende und die Synode im November das letzte Wort. Sie allein wird darüber entscheiden, wer in Käßmanns Fußstapfen tritt. Der neue Bischof findet in jedem Fall eine Landeskirche vor, die sich schon seit mehreren Jahren auf zurückgehende Finanzen und sinkende Mitgliederzahlen eingestellt hat. Bis 2030 rechnen die Kirchen mit einem Drittel weniger Mitgliedern und ein um 50 Prozent gekürztes Haushaltsvolumen.

Deshalb verschrieb sich das Kirchenparlament in Hannover bereits im Jahr 2005 ein Sparpaket in Höhe von 81,5 Millionen Euro, die in der geplanten Zeit von fünf Jahren auch eingespart wurden. Bis 2020 will die Landeskirche ihre Mittel um weitere 15 Prozent absenken. Der derzeitige Kirchenpräsident Burkhart Guntau bringt die Situation auf den Punkt: "Mit weniger Personal müssen immer schwierigere Aufgaben erfüllt werden." Dies gilt vor allem für die Diakonie mit ihren vielfältigen Bereichen von der frühkindlichen Bildung in den Kindertagesstätten bis zu einer Altenpflege, die dem christlichen Menschenbild entspricht.

Unter dem Stichwort "Gebäudemanagement" werden auch die rund 1.450 Gemeinden mit ihren Kirchen und Pfarrhäusern auf den Prüfstand kommen. Und nicht zuletzt müssen alle Niedersachsen entscheiden, wie ihre derzeitigen fünf Kirchen in Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe und die Evangelisch-reformierte Kirche mit weniger Geld und weniger Mitgliedern ihre Zukunft gestalten wollen.

Für den neuen Bischof, der theoretisch bis zu seinem 70. Geburtstag im Amt bleiben kann, gibt es also genug zu tun. Die meisten Synodalen wünschen sich, dass er den von Käßmann in ihrer fast elfjährigen Amstzeit verfolgten Kurs der Öffnung fortführt, ohne die Rückkoppelung mit Verwaltung und Basis zu vernachlässigen. Und in einem Punkt sind sich alle einig: "Es wird etwas ganz Neues beginnen, weil man Margot Käßmann nicht kopieren kann."

17. September 2010