Bayerische Protestanten betonen jüdische Wurzeln des Christentums

München (epd). Die bayerische Landeskirche will die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens deutlicher machen und ihre Kirchenverfassung entsprechend ergänzen. Der Vorgang sei eine "epochale Zäsur" in der Kirchengeschichte, sagte der Theologieprofessor Wolfgang Stegemann (Neuendettelsau) am Dienstagabend in München. Der Neutestamentler gehört einem Ausschuss der Landessynode zur Änderung der Kirchenverfassung an. Eine ganze Reihe der 22 evangelischen Landeskirchen haben bereits in ihren Ordnungen oder Verfassungen auf die "bleibende Erwählung Israels" Bezug genommen.

Das bayerische Kirchenparlament soll im Frühjahr 2011 über die Ergänzung der Kirchenverfassung abstimmen. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit ist dafür nötig. Der Wunsch der Synode sei, dass sich die evangelisch-theologischen Fakultäten im Freistaat sowie die Dekanate und Kirchengemeinden mit dem vorliegenden Vorschlag zur Ergänzung der Kirchenverfassung auseinandersetzen, sagte Stegemann. Die wesentlichen Aussagen seien, dass das "biblische Israel" eine "tragende Wurzel" des Christentums sei, Christentum und Judentum "geschwisterlich verbunden" seien und die Erwählung des biblischen Israel als Gottes Volk bleibend sei.

Stegemann erinnerte daran, dass in der Kirchengeschichte lange die Ansicht vorgeherrscht habe, dass Israel seine Erwählung zum Volk Gottes durch die Kreuzigung Jesu Christi "verworfen" habe und nun das Christentum das Volk Gottes sei. Dieser Behauptung stünden aber eindeutige Aussagen des Neuen Testamentes, so etwa im Römer-Brief, entgegen. Das Christentum sei "lange Zeit mit Blindheit für diese eindeutigen Aussagen geschlagen gewesen", urteilte der Experte für das Urchristentum und eine sozialgeschichtliche Bibelauslegung.

Mit der Änderung der Kirchenverfassung schaffe sich die bayerische Landeskirche ein "Identitätsmerkmal", führte Stegemann aus. Die "innere Beziehung" zum Judentum und seinem Glauben werde gestärkt, ohne am protestantischen Bekenntnis Abstriche zu machen.

22. September 2010