Ethiker: Perspektiven zur Armutsbekämpfung sind besser geworden

Heidelberg (epd). Die Voraussetzungen zur Armutsbekämpfung in Deutschland sind nach Ansicht des Bamberger Sozialethikers Heinrich Bedford-Strohm besser geworden. "Viele in Politik und Wirtschaft sind nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise nachdenklicher geworden", sagte der evangelische Theologieprofessor dem epd vor Beginn des Europäischen Diakoniekongresses am Donnerstag in Heidelberg.

Für die Menschen gehöre soziale Gerechtigkeit zu den wichtigsten Themen. Dass so viele Menschen in Europa und weltweit keine Chance bekämen, an den wirtschaftlichen und sozialen Prozessen in ihren Gesellschaften teilzuhaben, ist "angesichts des vorhandenen Reichtums ein Skandal", sagte Bedford-Strohm.

Armut und soziale Ausgrenzung könnten erfolgreich bekämpft werden, "wenn der Aufruf zu mehr Investitionen in die Förderung von Menschen von der frühen Kindheit an zur zentralen gesellschaftlichen Aufgabe wird", sagte der Sozialethiker. Er selbst sei ausdrücklich bereit, für diese Aufgaben auch mehr Steuern zu bezahlen.

Der Staat dürfe auf keinen Fall die Bekämpfung der Armut der Zivilgesellschaft - etwa der Tafelbewegung - überlassen. Die Stärkung der Zivilgesellschaft sei "kein Rezept zum Stopfen von Haushaltslöchern". Aus der Zivilgesellschaft heraus könne sogar größeres staatliches Engagement gefordert werden. Eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze, wie sie die Diakonie fordere, koste den Staat etwas. "Es ist aber notwendig, um den Schwächsten ein würdiges Leben zu ermöglichen."

Auch die Diakonie selbst müsse sich immer wieder an ihren eigenen Maßstäben messen lassen, sagte Bedford-Strohm. Ihr größtes Pfund sei ihre Authentizität: Wo aus der Gesellschaft Kritik an ihrem Handeln etwa als Arbeitgeber kommt, müsse sie selbstkritisch prüfen, ob die Kritik berechtigt ist. "Aber sie darf sich nicht den Mund verbieten lassen, nur weil sie mit ihren eigenen Hausaufgaben nie am Ende ist."

23. September 2010