Sterbehilfe: Lebensschutz nicht relativieren

München (epd). In der Debatte um die Sterbehilfe hat der evangelische Sozialethiker und Berliner Altbischof Wolfgang Huber (68) vor einer Relativierung des Lebensschutzes gewarnt. "Man kann Lebensschutz nicht gegen andere Güter abwägen", sagte Huber in einem Streitgespräch mit dem Arzt Michael de Ridder (63) in der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstagsausgabe).

Die verfasste Ärzteschaft und die Rechtswissenschaft müssten alles vermeiden, Suizidbeihilfe zur Normalität zu machen, betonte Huber. Es sei ein großer Unterschied, "ob man einvernehmlich eine Therapie abbricht, ob ein Mensch sein Sterben zulässt, indem er keine Nahrung mehr zu sich nimmt, oder ob man zu dem extremen Mittel des assistierten Suizids greift beziehungsweise, was unter keinen Umständen geht, zur Tötung auf Verlangen schreitet", fügte der Theologe hinzu.

Wer Hilfe beim Suizid zur Norm machen wolle, setze das Vertrauen in den ärztlichen Beruf aufs Spiel, warnte Huber: "Ich wäre unglücklich, wenn ich das Gefühl haben müsste, dass der Arzt, dem ich mich anvertraue, Suizid für eine selbstverständliche Handlungsmöglichkeit hält."

Der Notfallmediziner Michael de Ridder, Autor der Buches "Wie wollen wir sterben? Ein ärztliches Plädoyer für eine neue Sterbekultur in Zeiten der Hochleistungsmedizin", erklärte: "Niemand - keine Kirche, kein Arzt, kein Hospiz - hat das Recht zu sagen: So ein Mensch hat dies und jenes Leid zu ertragen und dies und jenes nicht."

Die Medizin habe trotz aller Errungenschaften Existenzweisen geschaffen, in die Patienten früher nie geraten wären, "denn sie wären zuvor gestorben", sagte de Ridder weiter. Wenn Menschen, die trotz optimaler Therapie und Zuwendung weiter litten, in aussichtsloser Krankheit nachhaltig und bei klarem Verstand forderten: "Ich möchte, dass dieser Zustand endet, weil mein Lebensentwurf nie mehr mein eigener sein kann - dann ist für mich die Hilfe beim Sterben nicht nur gerechtfertigt, sondern ethisch geboten."

Wenn Menschen vor ihrer Krankheit kapitulierten, "dürfen sie ihr Leben selbst beenden", unterstrich de Ridder: "Das gesteht ihnen unsere Rechtsordnung zu." Es könne nicht sein, dass die ärztliche Berufsordnung "Ärzte wie mich mit Zwangsgeldern, Berufsverbot, Approbationsentzug belegt, weil sie Patienten in auswegloser Lage helfen. Dieser Passus muss verschwinden."

28. September 2010