Vom Brunnenbauer zum Personalberater

"Dienste in Übersee" vermittelt seit 50 Jahren Fachkräfte in Entwicklungsländer

Von Marc Patzwald (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Die evangelische Organisation "Dienste in Übersee" (DÜ) vermittelt seit 50 Jahren Fachkräfte in Entwicklungsländer. "Das sind 50 Jahre ökumenische Erfahrung von über 5.000 Menschen", sagt Rudolf Ficker, Vorstand des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED). "Das ist ein echter Schatz." An diesem Mittwoch wird das Jubiläum mit einem Empfang in Bonn gefeiert. Seit 1999 ist "Dienste in Übersee" ein Teil des EED.

Gegründet wurde der Personaldienst DÜ von kirchlichen Organisationen am 9. November 1960. Ihr Beweggrund: Aus Dankbarkeit für die Hilfe, die das zerstörte Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten hatte, wollten nun Deutsche dort helfen, wo die Not am größten war.

Der neue Dienst sollte zum Frieden beitragen - und zum Aufbau der jungen afrikanischen Staaten, die in jener Zeit die Unabhängigkeit erlangten. Ein Vorläufer war das "Überseeregister" von evangelischen Studentengemeinden, die junge Akademiker ins Ausland vermittelten.

Trotz aller Veränderungen wird "Dienste in Übersee" laut Ficker keineswegs überflüssig. Der Austausch von Menschen über Grenzen hinweg sei weiter notwendig. DÜ wird nicht von allein tätig, sondern vermittelt Fachkräfte auf Anfragen von Entwicklungsorganisationen etwa in Nepal, Ägypten, Kosovo oder Mexiko.

Bei der Auswahl seiner Partner sei "Dienste in Übersee" politisch unabhängig, sagt Jürgen Deile, der die internationalen Personalprogramme des EED koordiniert. Daher wurden auch Fachkräfte nach Nicaragua nach der sandinistischen Revolution in den 80er Jahren vermittelt, als es von Deutschland keine staatliche Entwicklungshilfe gab.

Der "klassische Brunnenbauer" der ersten Jahre wird laut Deile nicht mehr gebraucht. Die Fachkräfte, die heute ins Ausland gehen, sind zum Beispiel Personal- und Organisationsberater, Fachärzte, Sozialwissenschaftler, Agrarökonomen, Managementexperten oder Trainer für den Aufbau von Netzwerken.

Bei der Auswahl der Bewerber spielt auch die Konfession eine Rolle. Die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche sei aber nicht zwingend, erklärt Deile. Notwendig sei die Auseinandersetzung mit dem Glauben und der Kirche. So habe DÜ schon Katholiken, Juden, Muslime und Buddhisten vermittelt.

Die typische Fachkraft ist älter und weiblicher geworden. Rund die Hälfte der derzeit im Ausland tätigen DÜ-ler sind Frauen, die im Schnitt 43 Jahre alt sind. Wer nach Afrika, Asien und Lateinamerika geht, will nicht nur helfen, sondern auch an Erfahrung gewinnen und neue Einsichten nach Deutschland zurückbringen.

"Die Leute sind sich globaler Zusammenhänge bewusst", sagt Deile. Auch in die Karriere müssten die zwei bis drei Jahre im Ausland passen. Viele Rückkehrer bleiben in der Entwicklungshilfe tätig. Für die Zukunft wünscht sich EED-Vorstand Ficker, dass "Dienste in Übersee" häufiger in Deutschland lebende Migranten in ihre Ursprungsländer vermitteln kann.

Und man denkt stärker an einen Personalaustausch in Gegenrichtung: Fachkräfte aus Entwicklungsländern sollen nach Deutschland kommen, um andere Perspektiven in die Arbeit von kirchlichen Organisationen einzubringen. Ansätze dazu gibt es schon.

06. Oktober 2010