EKD-Ratsvorsitzender: Guter Journalismus nötig

Köln (epd). Für eine verantwortungsvolle Berichterstattung über menschliches Leid ist nach Ansicht des amtierenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, Qualitätsjournalismus nötig. "Was wir brauchen, ist guter Journalismus", sagte der Präses der rheinischen Landeskirche am Mittwoch auf dem ersten Evangelischen Medienkongress in Köln.

Bei der Trauerfeier für die Loveparade-Opfer habe er erlebt, dass manche Journalisten an den Schicksalen der Betroffenen interessiert gewesen seien, sagte Schneider. Ihnen sei es auch um die Bedeutung der Vorfälle für die Gesellschaft gegangen. Diese Art der Berichterstattung habe geholfen, das Unglück öffentlich zu verarbeiten.

Problematisch sei dagegen eine Visualisierung von Katastrophen, bei der Bilder unmittelbar eins zu eins verbreitet würden, ohne sie zu deuten und einzuordnen. Es reiche nicht aus, "die Wirklichkeit einfach nur hinzustellen", betonte Schneider. Er warnte, eine immer schnellere Berichterstattung könne zu einer "Deprofessionalisierung" der Medien führen. Dass Journalisten auch ihre Betroffenheit zeigen, hält der 63 Jahre alte Theologe für richtig, wenn sie "reflektiert damit umgehen". Information und Emotion seien kein Gegensatz.

Der frühere rheinische Präses und EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock nannte es wichtig, dass Journalisten neben Informationen über Unglücke und Katastrophen auch Emotionen transportierten, "um mitfühlen zu können". Veranstalter des zweitägigen Kongresses, der vom WDR unterstützt wird, ist die EKD.

21. Oktober 2010

1. Evangelischer Medienkongress


Experten warnen vor Sensationsjournalismus bei Katastrophen

"Verrohung" im Internet beklagt

Köln (epd). Medienexperten fordern eine zurückhaltende Berichterstattung über Amokläufe und Katastrophen wie die Massenpanik bei der Duisburger Loveparade. "Medien sollten trotz aller ökonomischen Sachzwänge immer auf Informationen und nicht auf Effekte setzen, um Glaubwürdigkeit und Vertrauen nicht zu verspielen", sagte der Düsseldorfer Medienprofessor Christian Schicha am Mittwoch auf dem ersten Evangelischen Medienkongress in Köln. Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, machte sich für Qualitätsjournalismus stark.

Schicha wies auf das Spannungsfeld "zwischen einem rücksichtslosen Sensations-Journalismus als reinem Voyeurismus und einem reflektierten und sensiblen Journalismus" hin. Auf der Jagd nach den besten Quoten und Martkanteilen seien zunehmend "Boulevardisierung, Skandalisierung und bewusste Tabuverletzung die probaten Mittel". Verantwortungsvoller Journalismus zeige dagegen Sachverhalte auf, ordne Zusammenhänge ein und vermittele Hintergründe.

Der Medienethiker kritisierte unter anderem Interviews mit traumatisierten Schülern nach dem Amoklauf von Winnenden und das "Witwenschütteln", bei dem Angehörige von Opfern vor eine Kamera oder ein Mikrofon gezerrt würden. Auch sogenannte Leserreporter, die Unglücke und Katastrophen im Bild festhalten, sieht Schicha als Problem. Diese Veröffentlichungen seien häufig reiner Selbstzweck und es fehle die Einordnung durch Journalisten.

Der EKD-Ratsvorsitzende und rheinische Präses Schneider sagte, eine verantwortungsvolle Berichterstattung über menschliches Leid durch "guten Journalismus" können helfen, Ereignisse wie das Loveparade-Unglück oder den Amoklauf von Winnenden öffentlich zu verarbeiten. Problematisch sei dagegen eine Visualisierung von Katastrophen, bei der Bilder unmittelbar verbreitet würden, ohne sie zu deuten und einzuordnen.

Es reiche nicht aus, "die Wirklichkeit einfach nur hinzustellen", betonte Schneider. Er warnte, eine immer schnellere Berichterstattung könne zu einer "Deprofessionalisierung" der Medien führen. Besorgt äußerte sich Schneider ebenso wie Schicha und ARD-Chefredakteur Thomas Baumann über die Möglichkeit des Internets, dass heute jeder Bürger nahezu alle Arten von Bildern und Daten ohne Quellenbeleg ins Internet stellen könne.

Es gebe inzwischen mit Fernsehen und Internet zwei Bildwelten, sagte Baumann. Die Hemmschwelle, zum Beispiel Gewalt und das Leiden von Opfern zu zeigen, sei im weltweiten Computernetz geringer als in den klassischen Medien. Im Internet gebe es keine Kontrolle. Präses Schneider sprach von einer "Verrohung".

Der von der EKD in Zusammenarbeit mit dem WDR veranstaltete zweitägige Kongress endet am Donnerstag. Dann soll das mediale Engagement der Kirchen nach Katastrophen reflektiert werden.

21. Oktober 2010