Neuer LWB-Generalsekretär warnt vor Konflikt mit dem Islam

Genf (epd). Der neue Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Martin Junge, hat davor gewarnt, einen Konflikt zwischen Islam und Christentum zu schüren. "Wir dürfen nicht zulassen, dass in der aktuellen Diskussion über den Islam die Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen aus dem Bewusstsein verschwinden", sagte der chilenische Theologe in einem epd-Gespräch. Der 49-Jährige trat sein am Amt am Montag in Genf offiziell an.

Die christlichen Kirchen hätten gegenüber dem Islam eine sehr aufgeschlossene Haltung, sagte Junge. Er erinnerte zugleich daran, dass die Hilfe für Schwache und Notleidende fester Bestandteil beider Religionen sei. Bei humanitären Projekten arbeiteten Muslime und Christen oft Hand in Hand: "Nach der Tsunami-Katastrophe 2004 in Indonesien wühlten christliche und muslimische Helfer gemeinsam im Schlamm, um Opfer zu bergen."

Der Islam könne als öffentlich deutlich sichtbare Religion in einer christlichen geprägten Umwelt durchaus Ängste schüren, sagte der Theologe. "Ich kann die Ängste bei vielen Menschen durchaus verstehen", so Junge. Jedoch dürfe die Furcht vor dem Islam nicht allein die Diskussion bestimmen. Gegen diese Ängste müssten Vertreter des Islam, christliche Kirchen und Politiker gemeinsam vorgehen.

Der LWB-Generalsekretär erinnerte daran, dass die christlichen Kirchen ein Bauverbot für Minarette in der Schweiz abgelehnt hätten. Die Schweizer sprachen sich 2009 trotzdem in einer Volksabstimmung für ein Bauverbot aus.

Junge verwies auf Passagen im Augsburger Bekenntnis von 1530, die auf theologischer Ebene Kritik am Islam üben. Zugleich wies er darauf hin, dass der Reformator Martin Luther die Übersetzung und Drucklegung des Korans befürwortete und sogar eine Einleitung dazu schrieb. Luther habe es den Menschen ermöglichen wollen, selbst über den Wahrheitsgehalt des Korans zu urteilen.

Junge führte bereits im September und Oktober als amtierender Generalsekretär die LWB-Geschäfte in Genf. Er löste Ishmael Noko (67) aus Simbabwe ab. Der Lutherische Weltbund ist eine internationale Gemeinschaft lutherischer Kirchen. 1947 im schwedischen Lund gegründet, zählt er inzwischen 145 Mitgliedskirchen, denen rund 70 Millionen Christen in 79 Ländern angehören. Der Weltdienst des LWB leistet Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe in armen Ländern.

01. November 2010


Ein Mann der klaren Worte

Der Chilene Martin Junge ist neuer Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes

Von Jan Dirk Herbermann (epd)

Genf (epd). Er ist chilenischer Pfarrer, hat eine österreichische Mutter und studierte in Göttingen. Seit Montag ist Genf offiziell sein Arbeitsplatz: Der Theologe Martin Junge (49) hat sein Amt als Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB) mit knapp 70 Millionen Christen in 79 Ländern angetreten.

Junge scheut sich nicht vor klaren Aussagen. So verurteilt er die Weltwirtschaftsordnung als unfair, ungerecht und als "tiefen Ausdruck von Sünde". Zur Rettung der Banken hätten die G-20-Staaten mehr als 800 Milliarden US-Dollar bereit gestellt - Geld, das man für die Bekämpfung von Aids oder die Entschuldung von Staaten nie freigegeben hätte.

Auch empfiehlt er den Lutheranern, die Kraft von Frauen und jungen Menschen besser zu nutzen. Er selbst gehöre in Chile einer Kirche an, in der es bald mehr Pastorinnen als Pastoren geben werde. "Das macht mich weder nervös noch besorgt, ich bin für diese Entwicklung einfach dankbar", sagt Junge.

Der Pfarrer aus Chile löste Ishmael Noko (67) als Generalsekretär der lutherischen Gemeinschaft ab. Der Mann aus Simbabwe war 1994 als erster Afrikaner in das Spitzenamt des konfessionellen Dachverbandes gewählt worden. Der Übergang von Noko zu Junge in der Genfer Zentrale lief reibungslos. "Wir können uns aufeinander verlassen", betonte Noko. Junge führt bereits seit September als amtierender Generalsekretär die Geschäfte.

Der Chilene ist mit dem Lutherischen Weltbund bestens vertraut: Seit September 2000 arbeitet er als Gebietsreferent für Lateinamerika und die Karibik in der Abteilung für Mission und Entwicklung. Dabei konzentrierte er sich auch auf die Überschuldung und deren gravierende sozialen Folgen.

Seit 2008 absolviert Junge an der Universität Freiburg (Schweiz) einen Diplom-Studiengang für das Management von Verbänden und Nonprofit-Organisationen. Von 1996 bis 2000 war er Präsident der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile. Nach seiner Ordination zum Pfarrer wirkte er von 1989 bis 2000 in Gemeinden in Santiago de Chile. Von 1980 bis 1986 studierte Junge evangelische Theologie in Göttingen.

Der verheiratete Lutheraner mit zwei Söhnen bringt auch ein gutes Verständnis der katholischen Kirche mit. Das liege an seiner österreichischen Mutter, einer Katholikin. "Bei uns zu Hause lebten wir die Ökumene", sagt er.

01. November 2010