Leitender Bischof sieht besondere Rolle der Kirchen zunehmend hinterfragt

Hannover (epd). Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich schließt Rückwirkungen der Integrationsdebatte auf das Verhältnis von Staat und Kirche nicht aus. Bei der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) wies er am Freitag in Hannover darauf hin, dass die besondere Rolle der Kirchen zunehmend hinterfragt werde. Das beginne bei den Kreuzen in öffentlichen Räumen und ende noch lange nicht bei der wissenschaftlichen Theologie an den Universitäten oder dem Kirchensteuersystem, sagte der Leitende lutherische Bischof. Auf Landesparteitagen von FDP und Grünen war zuletzt eine stärkere Trennung von Staat und Kirche im Freistaat gefordert worden.

Darauf müssten die Kirchen "viel offensiver und deutlicher reagieren", empfahl Friedrich. Als Beispiel nannte er die Debatte über Staatsleistungen an die Kirchen. In Medien werde der Eindruck erweckt, dabei handele es sich um ungerechtfertigte Zahlungen, kritisierte der Bischof. Staatsleistungen gebe es beispielsweise auch für Opernbesucher, für Besucher einer Fußball-Weltmeisterschaft oder einer Olympiade, für Sportvereine und für Parteienstiftungen. "Denn sie alle leisten für die Gesellschaft wichtige Arbeit - wie die Kirchen", argumentierte Friedrich.

Zum Thema Bildung sagte der Leitende VELKD-Bischof in seinem Bericht, Bildung dürfe nicht nur dazu dienen, Menschen für Wirtschaft und Industrie passend zu machen. Zur Bildung gehörten auch Musik, Kunst, die Liebe zur Natur sowie der Religionsunterricht: "Hier müssen wir wachsam sein und unverdrossen den Wert des Religionsunterrichts in der Öffentlichkeit vertreten." Der Staat sei gut beraten, wenn er dafür sorge, dass Kinder ganzheitlich gebildet würden, also auch im religiösen Bereich. Die Alternative eines vom Staat selbst verantworteten weltanschaulichen Unterrichts könne niemandem gefallen. Dann seien die staatlichen Einflussmöglichkeiten auf Kinder "viel zu hoch", gab Friedrich zu bedenken.

Der Leitende lutherische Bischof sprach sich für einen 3. Ökumenischen Kirchentag in absehbarer Zeit aus. Das Reformationsjubiläum 2017 erscheine ihm ein passendes Datum. Denn die Reformation habe sich an die ganze Kirche gerichtet. Vorbereitung und Organisation die Gestaltung der Jubiläums-Feiern sollten nicht im Alleingang, sondern in Abstimmung mit anderen Kirchen, besonders der römisch-katholischen erfolgen. "Es ist mir ganz wichtig, dass nicht der Eindruck aufkommt, wir wollten dieses Jubiläum gegen die katholische Kirche feiern. Wir wollen es mit ihr zusammen feiern", unterstrich Friedrich. Die bayerische Landeskirche und das Erzbistum München-Freising waren Gastgeber des 2. Ökumenischen Kirchentages im Mai in München.

Verärgert reagierte der bayerische Bischof auf Äußerungen, in denen der evangelische Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf von mangelnder intellektueller Qualität des Pfarrernachwuchses, insbesondere junger Theologinnen, gesprochen hatte. "Ich kenne so viele Pfarrerinnen, die das Gegenteil zeigen." Graf hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass das Pfarramt zu einem Frauenberuf werde, zumeist für Studentinnen aus nichtakademischem Elternhaus. Sie verbänden das Bild von "einem Kuschelgott mit schlichten Gedanken". Derartige Aussagen demotivierten in unglaublichem Maße, rügte Friedrich.

Das lutherische Kirchenparlament berät das Schwerpunktthema "Pfarrerbild und Pfarrerbildung". Die Generalsynode besteht aus 50 Mitgliedern, die zugleich der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland angehören. Die VELKD ist ein Zusammenschluss von acht evangelisch-lutherischen Landeskirchen mit rund zehn Millionen Gemeindemitgliedern.

05. November 2010