EKD-Ratsvorsitzender Schneider für offene Integrationsdebatte

Frankfurt a.M. (epd). Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, befürwortet eine offene Integrationsdebatte. "Der Ton bringt die Realitäten auf den Punkt, das kann nur hilfreich sein", sagte der Präses der rheinischen Landeskirche der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Samstagsausgabe). Der Theologe fügte mit Blick auf die aktuelle Debatte hinzu: "Dass es im Einzelfall verletzende Töne gibt, sollte man nicht dramatisieren." Schneider stellt sich auf der EKD-Synode, die am Sonntag in Hannover beginnt, für die nächsten fünf Jahre an der EKD-Spitze zur Wahl. Seine Wahl gilt als sicher.

Schneider bemängelte zugleich, dass in der Debatte über Integration und Islam Religionen mitunter als "Störenfriede" dargestellt würden, "nach dem Motto: In unserer Gesellschaft könnte es so harmonisch zugehen, wenn da nur nicht diese verrückten Religionen wären.

Zur Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Multikulti sei tot, sagte Schneider, wenn mit dem "vieldeutigen Schlagwort" Multikulti die "naive Vorstellung" gemeint sei, "dass Parallelgesellschaften nebeneinander existieren können und dies mittel- und langfristig guter Nachbarschaft diene, dann ist Multikulti wirklich tot". Stadtteile, in denen man leben könne, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, seien kein Zukunftsmodell.

"Das Schlagwort 'Multikulti' stand aber immer auch für die bewusste Akzeptanz eines Neben- und Miteinanders verschiedener Kulturen, Religionen und Lebensweisen in unserem Land. Dies ist eine realistische Zukunftsperspektive und ist vielerorts in unserem Land Normalität", ergänzte der Sozialethiker.

Die EKD habe mit ihrer Islam-Denkschrift "Klarheit und gute Nachbarschaft" aus dem Jahr 2006 "viel für die Öffnung der Diskussion geleistet", sagte Schneider. Der Text lasse nicht den geringsten Zweifel daran, "dass wir im Zusammenleben miteinander gute Nachbarschaft wollen. Aber dies geht nur über die Klärung kritischer Fragen. Wer gut nachbarschaftlich leben will, muss sich auch wechselseitig kritische Fragen stellen."

05. November 2010