EKD-Ratsvorsitzender bekräftigt Kritik am Afghanistan-Einsatz

Besorgt über atheistische Tendenzen

Hannover (epd). Der neue Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider hat die Kritik der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr bekräftigt. Es fehle eine klare Strategie zum Ausstieg, sagte Schneider am Mittwoch im Deutschlandfunk. Diese sei jedoch für die ethische Legimitation des Einsatzes notwendig. In einem Interview mit dem Radiosender Bayern2 äußerte sich der rheinische Präses besorgt über die Zunahme von atheistischen Tendenzen in der deutschen Gesellschaft.

Schneider machte im Deutschlandfunk deutlich, dass er als oberster Repräsentant der fast 25 Millionen Protestanten in Deutschland einen anderen Stil pflegen werde als seine Vorgängerin Margot Käßmann. Die Ende Februar nach einer Alkoholfahrt am Steuer ihres Dienstwagens zurückgetretene hannoversche Landesbischöfin hatte zu Jahresbeginn mit der Aussage "Nichts ist gut in Afghanistan" eine heftige politische Debatte ausgelöst.

"In dieser Zuspitzung hätte ich vermutlich nicht formuliert, obwohl ich ihre Kritik völlig geteilt habe", sagte Schneider. In einer gemeinsamen Erklärung von EKD-Spitzenrepräsentanten mit Käßmann habe man später die "sehr zugespitzte Formulierung" aufgenommen und argumentativ noch einmal in die Öffentlichkeit getragen. "Das war dann nicht mehr die große Welle, aber es hatte durchaus Wirkung", sagte Schneider, der das Amt seit dem Rücktritt Käßmanns Ende Februar bereits kommissarisch ausgeführt hatte. Am Dienstag bei der EKD-Synodentagung in Hannover wurde der Präses der rheinischen Landeskirche für die nächsten fünf Jahre zum Ratsvorsitzenden gewählt.

Einen geringeren öffentlichen Einfluss der evangelischen Kirche seit dem Käßmann-Rücktritt sieht Schneider nicht. "Ich mache die Erfahrung, dass wir sowohl gefragt als auch gehört werden", sagte der Präses. Auch er selbst könne sich nicht darüber beklagen, nicht oft zitiert zu werden. Doch achte er sehr darauf, in den Debatten "die Menschen mitzunehmen": "Das erscheint dann manchmal als abgewogener und ist dann nicht so spektakulär."

Schneider erneuerte seine Kritik an der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Ohne Not habe die Bundesregierung einen gesellschaftlichen Konsens aufgekündigt und sich durch Verträge mit den großen Stromkonzernen in eine Abhängigkeit begeben.

Im Sender Bayern2 sagte Schneider, in Deutschland komme den Menschen seit einer Generation das Wissen über Gott abhanden. Das gelte besonders in den neuen Bundesländern. Darüber hinaus gebe es einen "kämpferischen Atheismus, der in seinen Behauptungen fast fundamental wirkt".

In der Debatte über die Präimplantationsdiagnostik (PID) trat Schneider dafür ein, in die ethischen Überlegungen die Mütter stärker einzubeziehen. Bislang hatte der Rat der EKD ein striktes Verbot der PID gefordert, die zur Verhinderung von Erbkrankheiten eine Selektion künstlicher erzeugter Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib ermöglicht. Schneider sagte im Deutschlandfunk, er wolle das Gespräch mit Fachleuten darüber suchen, inwieweit eine ethisch verantwortbare Begrenzung dieser Diagnostik möglich ist. Eine Neuregelung steht an, weil der Bundesgerichtshof im Juli das bisherige gesetzliche Verbot gekippt hatte.

10. November 2010

Das Interview im Deutschlandfunk am 10. November