Evangelischer Friedensbeauftragter sieht zivilen Aufbau in Afghanistan vernachlässigt

Falkenburg (epd). Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, kritisiert das Fehlen eines Gesamtkonzepts für den Abzug der alliierten Truppen aus Afghanistan. Obwohl Staaten wie die USA und Deutschland Rückzugsdaten genannt hätten, sei noch immer unklar, welche konkreten Ziele im zivilen Aufbau bis dahin erreicht sein müssten. "An dieser unklaren Zielformulierung krankt von Anfang an der Afghanistan-Einsatz", sagte Brahms in einem epd-Gespräch am Rande einer Akademietagung im Lutherstift Falkenburg bei Bremen. Ein Fahrplan zum Rückzug aus dem Kampfeinsatz in Afghanistan war Thema auf dem NATO-Gipfel in Lissabon.

Brahms zufolge wurde der zivile Aufbau am Hindukusch lange vernachlässigt. Das Militär müsse so schnell wie möglich abziehen, weil es den Konflikt nicht lösen könne. "Doch zuvor müssen staatliche Strukturen in Recht und Verwaltung aufgebaut sein, damit der Abzug nicht in einem totalen Bürgerkrieg endet", sagte der leitende Bremer Geistliche. Es fehle nach wie vor eine konkrete Beschreibung der Mindest-Voraussetzungen.

Bevor das bis Februar 2011 laufende Afghanistan-Mandat der Bundeswehr durch das Parlament verlängert werde, müsse es eine aufrichtige Bilanz des laufenden Einsatzes geben, forderte Brahms: "Dazu gehören festgelegte Schritte, denen man verpflichtet ist und aus denen deutlich wird, wie der zivile Aufbau vorangetrieben werden soll."

Die alliierten Kräfte müssten zudem akzeptieren, dass es nicht gelingen werde, in Afghanistan einen Staat nach dem Muster westlicher Demokratien aufzubauen. Doch in dem Land gebe es kein Machtvakuum. "Besonders in den Dörfern und Regionen existiert beispielsweise mit dem Imam und dem Clanchef ein austariertes Machtsystem", sagte Brahms.

Nach dem Willen der NATO sollen Ende 2014 die afghanische Armee und Polizei die alleinige Verantwortung für die Sicherheit in ihrem Land übernehmen. Die USA, die zwei Drittel der Truppen stellen, wollen nächstes Jahr mit dem Rückzug beginnen, Deutschland 2012. Zehn Jahre nach Beginn des Afghanistan-Einsatzes soll im November 2011 auf einer Konferenz in Bonn das weitere Vorgehen am Hindukusch beraten werden.

22. November 2010