Bischofswahl: Sozialexperte gegen Medienprofi

Wolfgang Gern und Ralf Meister wollen Bischof in Hannover werden

Von Michael Grau und Ulrike Millhahn (epd)

Hannover (epd). Ein engagierter Kämpfer für soziale Gerechtigkeit auf der einen Seite, ein leidenschaftlicher Prediger und Medienprofi auf der anderen: Das Kirchenparlament der hannoverschen Landeskirche hat von diesem Dienstag an die Wahl zwischen zwei profilierten Kandidaten für das Bischofsamt. Der hessen-nassauische Diakonie-Chef Wolfgang Gern (59) aus Frankfurt am Main und der Berliner Generalsuperintendent Ralf Meister (48) wollen die Nachfolge von Margot Käßmann (52) antreten, die im Februar nach einer Alkoholfahrt am Steuer ihres Dienstwagens von ihrem Amt zurückgetreten war.

Ebenfalls in Hannover hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zu Beginn des Monats bereits die Käßmann-Nachfolge im Ratsvorsitz geregelt. Die Wahl des rheinischen Präses Nikolaus Schneider (63) zum obersten Repräsentanten der fast 25 Millionen Protestanten in Deutschland war erwartet worden, er hatte das Amt bereits kommissarisch inne. Der Wahlausgang in der größten evangelischen Landeskirche hingegen gilt als völlig offen. Beobachter rechnen mit einem knappen Ausgang.

Wolfgang Gern bringt für die Arbeit in Führungspositionen viel Erfahrung mit. Seit zehn Jahren leitet er das Diakonische Werk in Hessen-Nassau mit mehr als 18.000 Mitarbeitern in Einrichtungen für alte, kranke und behinderte Menschen. 1.200 davon sind direkt bei seinem Verband beschäftigt. Diakonie und Kirche gehören für Gern untrennbar zusammen. "Kirche ohne Diakonie ist Gerede, Diakonie ohne Kirche ist Getue."

Als Sprecher der Nationalen Armutskonferenz ist der gebürtige Berliner seit 2007 bundesweit bekannt. Unermüdlich setzt er sich öffentlich unter anderem für Hartz-IV-Empfänger und Flüchtlinge ein. Auch das Bischofsamt versteht er zum Teil politisch. "Die Aufgabe eines Bischofs ist es zu verbinden, zu vermitteln und zu versöhnen", sagt der verheiratete Vater eines Sohnes. "Aber er muss auch das klare Wort erheben, wo Hass und Gewalt überwunden werden müssen und die sozialen Spannungen zu Zerrissenheit führen."

Aufgewachsen ist Gern als viertes von fünf Kindern im protestantischen Milieu West-Berlins. Der Vater war Betriebsprüfer, die Mutter Diakonieschwester, der Onkel Pastor. Mit 22 ging er für ein Jahr nach Laos und Kambodscha und betreute dort Kriegsflüchtlinge aus Nordvietnam. Nach dem Studium in Berlin und Heidelberg sowie in Indien widmete er sich im Wechsel der wissenschaftlichen Theologie und der Gemeindearbeit als Vikar und Pfarrer im Odenwald. Vor zwei Jahren misslang Gern der Sprung an die Spitze der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, zum Kirchenpräsidenten wurde damals Volker Jung gewählt.

Gerns Mitbewerber Ralf Meister sieht es als eine Art Lebensaufgabe, die christliche Botschaft unter die Leute zu bringen. Es sei eine Herausforderung, auch schwierige theologische Themen so aufzuarbeiten, dass jeder sie verstehen kann, sagt der verheiratete Vater von drei Kindern - und fügt selbstkritisch hinzu: "Das gelingt oft, aber nicht immer." Als Generalsuperintendent in Berlin kämpft Meister seit zwei Jahren gegen den "verbreiteten Gewohnheitsatheismus" in der Stadt.

Nach seinem Studium war der gebürtige Hamburger unter anderem Rundfunkpastor in Kiel und Propst in Lübeck. Bundesweit ist er vor allem als Sprecher des "Wortes zum Sonntag" bekannt. "Ich stehe immer wieder vor der Frage, was die Menschen am Ende einer Arbeitswoche eigentlich anrührt", sagt Meister. Dabei scheut er sich nicht, zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen auch kritisch Stellung zu nehmen.

Politische Stellungnahmen müssen nach seiner Meinung aber theologisch klar begründbar sein. "Wenn wir uns mit dem Evangelium politisch äußern, muss sichtbar sein, dass es eine kirchliche Stellungnahme ist", betont Meister, der neben Theologie auch Judaistik in Hamburg und Jerusalem studiert hat.

Der Region zwischen Elbe und Lüneburger Heide fühlt er sich seit seiner Kindheit verbunden. Er stammt aus Neugraben, dem südwestlichsten Zipfel Hamburgs, der bis 1977 zur hannoverschen Landeskirche gehörte. Sein damaliger Pastor prägte ihn genauso wie die christlichen Pfadfinder, mit denen er jahrelang die Region durchstreifte: "Ich habe eine innere Verbindung zu dieser Landschaft."

22. November 2010