Göring-Eckardt: Kirche muss mehr auf die Menschen zugehen

Düsseldorf (epd). Katrin Göring-Eckardt, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), fordert die Kirche auf, stärker die Nähe zu den Menschen zu suchen. "Die Kirche muss mehr auf die Menschen zugehen, um sie zu gewinnen", sagte die Grünen-Politikerin, die auch Bundestagsvizepräsidentin ist, der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Samstagsausgabe).

"Wir müssen begeistert über den Glauben und das Christentum sprechen. Die Adventszeit ist in besonderer Weise eine Chance, dass die Kirche ihre Posaunen lauter, schöner und verständlicher klingen lässt, damit mehr Menschen den Weg in die Kirche finden", sagte Göring-Eckardt und fügte hinzu: "In der Adventszeit können die Menschen die Kirche neu entdecken."

27. November 2010


Der Beitrag aus der Rheinischen Post vom 27. November:

"Kirche muss auf Menschen zugehen"

Katrin Göring-Eckardt, Bundestagsvizepräsidentin und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, sieht die Adventszeit als Chance für die Kirche, die Menschen zu gewinnen. Viel Rummel auf Weihnachtsmärkten lehnt sie ab. Wir trafen sie auf dem Gendarmenmarkt in Berlin.

VON EVA QUADBECK

Katrin Göring-Eckardt saß gerade noch im Bundestag, hoch oben auf dem Präsidenten-Stuhl, und erteilte den Abgeordneten das Wort. Jetzt steht die Grünen-Politikerin auf Berlins schönstem Platz, dem Gendarmenmarkt in Mitte, und ihre Hände umfassen eine Tasse Tee. Der Dampf steigt in den dunklen Abendhimmel. Die Bundestagsvizepräsidentin zieht die Schultern hoch. Es sieht aus, als wolle sie hineinkriechen in ihren Schal.

"Schenken ist etwas Schönes", sagt sie. "Ich schenke sehr gerne. Es ist eine gute Gelegenheit, über seine Lieben nachzudenken und etwas für sie auszusuchen". Sie sagt, sie brauche die Adventszeit, um gute Ideen für Geschenke zu bekommen. "Wenn man schenkt, schenkt man sich auch immer mit."

Der Weihnachtsmarkt zwischen dem Französischen und dem Deutschen Dom, wo die Politikerin gerade ihren Tee trinkt, hebt sich wohltuend ab von den üblichen Bretterbuden mit Bratwurst und Lebkuchenherzen. Die Stände werden von weißen Zelten überspannt. Es riecht nach Kardamon und Zimt. Zu kaufen gibt es viel Kunst und Kunsthandwerk.

Göring-Eckardt sieht sich um und sagt: "Was ich auf Weihnachtsmärkten oft vermisse, ist eine ruhige Ecke." In Erfurt beispielsweise gebe es einen Weihnachtsmarkt, auf dem eine große Krippe aufgebaut sei; dort stünden die Menschen fasziniert und still und fänden auch Ruhe. "Umgekehrt meine ich, dass auf Weihnachtsmärkten nicht jeder Unsinn angeboten werden muss. Wenn ein Weihnachtsmarkt aussieht wie ein Wochenmarkt oder ein Rummelplatz, dann finde ich das unpassend."

Auch mit der Lebkuchen-Schlacht, die in vielen Supermärkten kurz nach Ende der Sommerferien beginnt, kann Göring-Eckardt wenig anfangen: "Plätzchen und Lebkuchen esse ich frühestens in der Adventszeit. Vorher schmeckt mir das nicht." Der Christstollen sollte ihrer Ansicht nach für die Feiertage reserviert sein. "Der Stollen ist eigentlich erst für Weihnachten gedacht. Er symbolisiert das gewickelte Christkind."

Die 44-jährige Mutter von zwei Söhnen, die aus Thüringen kommt und sich 1989 der DDR-Bürgerrechtsbewegung angeschlossen hatte, ist eine tief religiöse Frau. Sie ist Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands, ihr Mann ist Pfarrer in Thüringen. In Berlin zählt die Christin zu einer Minderheit. Nur knapp ein Drittel in dieser Stadt gehört einer der beiden christlichen Kirchen an. Das wirkt sich auf das Weihnachtsgeschäft in der Metropole aber keineswegs aus. Viele Menschen in Berlin kaufen und schenken zu Weihnachten ohne Bindung an den christlichen Glauben.

Die Grünen-Politikerin sieht die Adventszeit als Chance für die Kirche, die Menschen zu gewinnen. "Die Kirche muss mehr auf die Menschen zugehen", sagt Göring-Eckardt. "Wir müssen begeistert über den Glauben und das Christentum sprechen. Die Adventszeit ist in besonderer Weise eine Chance, dass die Kirche ihre Posaunen lauter, schöner und verständlicher klingen lässt, damit mehr Menschen den Weg in die Kirche finden. Ich freue mich über jeden, der kommt. In der Adventszeit können die Menschen die Kirche neu entdecken."

Die Fülle an Süßigkeiten und Glühwein, die sich auch auf dem Weihnachtsmarkt am Gendarmenmarkt zeigt, passt aus Sicht der engagierten Kirchenfrau nicht recht zur Adventszeit. "Die Adventszeit ist eigentlich eine Fastenzeit. Es sollte eine Zeit der Ruhe und der inneren Einkehr sein, eine Zeit, in der man unnötigen Ballast abwirft und das Innere bereit macht für das, was kommt."

Die Vorfreude auf das Weihnachtsfest kommt bei Göring-Eckardt nicht zu kurz. Für ihre Kinder packt sie jedes Jahr 24 Päckchen für die Adventszeit. Als Symbol für das nahende Weihnachtsfest lässt die Grünen-Politikerin nach und nach die Figuren der Krippe bei sich zu Hause einziehen.

Die Geschenke, die streng genommen auch erst am 6. Januar mit den Heiligen Drei Königen ankommen, die erhalten ihre Kinder allerdings wie fast überall bereits am 24. Dezember abends.

27. November 2010