Diakonie wählt einen neuen Präsidenten

Von Markus Jantzer (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Die Diakonie will nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen. Der Verdacht, sie habe in den vergangenen Jahren allzu leichtfertig Hunderttausende Euro für fragwürdige Beraterleistungen ausgegeben, lastet schwer auf dem evangelischen Wohlfahrtsverband. Nach dem Rücktritt des Präsidenten Klaus-Dieter Kottnik soll der Theologe Johannes Stockmeier den guten Ruf der Diakonie wieder herstellen. An diesem Donnerstag soll der 62-Jährige in Kassel zum Chef des Bundesverbandes gewählt werden.

Die Spitzenvertreter der evangelischen Kirche und ihres Wohlfahrtsverbandes hatten es eilig, einen Nachfolger für den im September zurückgetretenen Kottnik zu finden. Denn sie wollten die Diakonie rasch aus den Negativ-Schlagzeilen bringen, in die sie durch eine Berateraffäre geraten war. Von Vetternwirtschaft und gar Korruption war die Rede. Im August kam heraus, dass eine sehr gute Bekannte des persönlichen Referenten des Diakoniepräsidenten, Walter Merz, von der Diakonie seit 2007 lukrative Berateraufträge im Wert von über 700.000 Euro erhalten hatte. Merz war mit der Beraterin, Christiane Dithmar, nicht nur befreundet; er war sogar ihr amtlich eingetragener Geschäftspartner, als er bereits leitender Angestellter der Diakonie war.

Kottnik trat nach dieser Enthüllung Ende September zurück, die Diakonie nannte gesundheitliche Gründe. Bei einer vom Aufsichtsgremium, dem Diakonischen Rat, in Auftrag gegebenen Prüfung stellten die Experten einer Kölner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft fest, dass der gesamte vierköpfige Diakonie-Vorstand bei der Auftragsvergabe versagt hatte. Die Vorstände hatten relativ sorglos Geld des Steuerzahlers in stattlicher Höhe ausgegeben, auch wenn sich niemand dabei bereichert habe. Die verbandsinterne Beschaffungsrichtlinie aber sei nicht beachtet worden. "Es gab kein systematisches Controlling", teilten die Experten dem Aufsichtsgremium mit.

Johannes Stockmeier soll als neuer Präsident Ordnung in den Verband bringen, der immerhin 28.000 soziale Einrichtungen mit über 400.000 Beschäftigten und ebenso vielen ehrenamtlich Aktiven vertritt. Stockmeier soll nach den Worten des Aufsichtsratsvorsitzenden, Bischof Frank Otfried July, dafür sorgen, dass "die Medien nur noch von diakonischen Erfolgen berichten". Der Präsidentschaftskandidat bringt viel Erfahrung mit: Er steht seit 1998 an der Spitze der Diakonie in Baden. Seit 2001 ist Stockmeier für den Verband auf Bundesebene aktiv, er kennt Rivalitäten und Animositäten.

Obwohl der schnelle Personalvorschlag in der Diakonie nicht unumstritten ist, gilt seine Wahl bei der Bundesversammlung, der aus 93 Mitgliedern bestehenden Diakonischen Konferenz, am Donnerstag in Kassel als sicher. Denn Stockmeier, der noch 2006 Kottnik bei der Präsidentenwahl unterlegen war, tritt ohne Gegenkandidaten an. Ihm genügt eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Am 1. Februar 2011 will er in Berlin das höchste Amt in der Diakonie antreten und wäre dann mit rund 135.000 Euro Jahresgehalt einer der bestbezahlten Theologen in Deutschland.

Wenn Stockmeier kommt, wird eines der vier Vorstandsmitglieder schon nicht mehr da sein. Der sozialpolitische Vorstand Kerstin Griese scheidet zum Jahreswechsel aus. Die SPD-Bundestagsabgeordnete kehrt der Diakonie unabhängig von der Berateraffäre nach 15 Monaten den Rücken und widmet sich wieder voll der Politik.

Stockmeiers Amtszeit wird nicht, wie sonst üblich, fünf Jahre betragen, sondern nur drei. Er soll als Übergangs-Präsident die Diakonie nicht nur aus der Vertrauenskrise führen, sondern zugleich auch den ehrgeizigen Fusionsplan mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) möglichst ohne weitere Reibungsverluste umsetzen. Bis Ende 2012 sollen die beiden großen Hilfswerke der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit ihren insgesamt 640 Beschäftigten unter einem Dach verschmelzen. Dazu müssen etwa 500 Mitarbeiter aus Stuttgart und Bonn umziehen. Für die neue Organisation wird in Berlin ein gemeinsames Gebäude gesucht - nachdem erst vor kurzem die ursprünglichen Immobilienpläne geplatzt sind.

07. Dezember 2010