Präses Schneider fordert besseren Schutz ägyptischer Christen

Frankfurt a.M./Passau (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, appelliert an die ägyptische Regierung, mehr für den Schutz der Christen im Land zu tun.

In der Vergangenheit sei das Problem nicht ernst genug genommen worden, sagte Schneider der "Frankfurter Rundschau" (Dienstagsausgabe). Nach dem Anschlag auf eine Kirche in Alexandria, bei dem mindestens 21 Menschen getötet wurden, scheine die "politische Elite nun aufzuwachen".

Die Lage von Christen im Nahen Osten sei besorgniserregend, sagte der rheinische Präses und Spitzenrepräsentant von rund 24 Millionen Protestanten in Deutschland. "Auch aus Ägypten wussten wir von steigenden Spannungen", fügte Schneider hinzu: "Es ist leider so, dass Christen dort um ihre Leben fürchten müssen."

In der "Passauer Neuen Presse" (Dienstagsausgabe) rief Schneider die koptischen Christen in Ägypten zu einem friedfertigen Zusammenleben mit der muslimischen Mehrheit im Land auf. "Wir dürfen auf Gewalt nicht mit Gewalt reagieren", sagte er.

Bei dem Selbstmordanschlag nach einer Messe in Alexandria waren in der Silvesternacht mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen, Dutzende wurden verletzt. Die Hintergründe der Tat waren zunächst unklar. Unter den rund 80 Millionen Ägyptern leben etwa zehn Prozent Christen.

04. Januar 2011


Das Interview im Wortlaut:

"Die politische Elite in Ägypten scheint aufzuwachen"

Nikolaus Schneider, Vorsitzender des Rates der EKD, über die Verfolgung von Christen in der Welt

Herr Schneider, müssen Christen im Nahen Osten um ihr Leben fürchten?

Die Lage von Christinnen und Christen im Nahen Osten ist besorgniserregend, allerdings nicht nur dort, sondern auch in anderen Ländern wie Nigeria oder China. Auch aus Ägypten wussten wir von steigenden Spannungen. Es ist leider so, dass Christen dort um ihr Leben fürchten müssen.

Hätte man mehr zu ihrem Schutz tun müssen?

Die staatlichen Autoritäten sind herausgefordert, nun ernsthaft etwas zu ihrem Schutz zu tun. In Ägypten ist das Problem in der Vergangenheit nicht ernst genug genommen worden. Wichtig ist aber zu erkennen, dass es sich um ein gesellschaftliches Problem handelt, dem nicht einfach mit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen beizukommen ist. Vielmehr muss alles darangesetzt werden, dass alle Bevölkerungsgruppen respektvoll und friedlich miteinander umgehen. Für ein solches Zusammenleben ist die positive Religionsfreiheit unerlässliche Voraussetzung.

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Es gibt diesen radikalen Islamismus auch in Ägypten und er ist in Teilen der Bevölkerung verankert.

Ist ein Zusammenleben von Christen und Muslimen im Nahen Osten noch möglich?

Ich halte es für möglich. Es war ja über Jahrhunderte möglich, in Frieden und gegenseitigem Respekt miteinander zu leben. Ich komme aus einem Kirchenkreis, der eine Partnerschaft mit der koptisch-orthodoxen Diözese Benisouef, etwa hundert Kilometer südlich von Kairo, hat. Ich war häufig im Land und weiß, dass das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen lange funktionierte. Ich habe die Hoffnung, dass das wieder möglich werden kann. Dazu gehört auch, dass sich die Christen nicht in die Spirale der Gewalt hineinziehen lassen. Unsere Jahreslosung fordert uns auf: "Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem."

Müssen auch die christlichen Kirchen in Deutschland mehr Einsatz und Anteilnahme für ihre Glaubensbrüder im Nahen Osten zeigen?

Wir haben uns in den letzten Jahren immer sehr deutlich geäußert. Die Sensibilität in der Öffentlichkeit ist größer geworden.

Tut die Politik, tut die Regierung genug?

Der Außenminister hat ja bereits deutlich Stellung bezogen und auch die Bundeskanzlerin hat das Problem immer wieder thematisiert. Die Bitte geht dahin, dass sie dies auch weiterhin und verstärkt tun, denn ich habe den Eindruck, zumindest in Ägypten scheint die politische Elite nun aufzuwachen.

Müssten nicht auch die muslimischen Gemeinden hier in Deutschland etwa gegen die Entrechtung der Christen in der Türkei eintreten?

Das geschieht ja schon vereinzelt. Ich erwarte aber gerade von den DITIB-Gemeinden, die vom türkischen Staat finanziert werden, dass sie sich bei der eigenen Regierung für die Religionsfreiheit der Christen in der Türkei deutlicher einsetzen, als sie dies bislang getan haben. Das, was sie hier in Deutschland genießen, muss auch für die Christen in der Türkei Wirklichkeit werden. Dass die Christen in der Türkei nur noch eine verschwindende Minderheit sind, ist ja bereits das Resultat einer lang anhaltenden Verfolgungs- und Vertreibungspolitik.

Wünschen Sie sich auch eine Distanzierung des Zentralrats der Muslime?

Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland, in dem ja auch der Zentralrat der Muslime vertreten ist, hat diesen schrecklichen Anschlag von Alexandria sofort auf das Schärfste verurteilt.

Muss den Christen verstärkt Asyl angeboten werden?

Denjenigen, die um ihr Leben fürchten müssen, muss Asyl angeboten werden, das ist keine Frage. Ich bin dankbar, dass die Bundesregierung hier eine sehr aktive Rolle gespielt hat, und bitte darum, dass sie das auch in Zukunft weiter tut. Aber es ist ein Jammer zu sehen, dass eine Region, in der das Christentum von Anbeginn an präsent war, nun entchristlicht wird. Wir müssen alles dafür tun, dass Christen auch dort in Frieden leben können.

Interview: Katja Tichomirowa (Frankfurter Rundschau vom 4. Januar)