Evangelische Kirche dringt auf Hilfe für ehemalige Heimkinder

Hannover/Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) fordert eine rasche Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches Heimerziehung. Evangelische Kirche und Diakonie "werden sich jeder Verzögerung bei der Realisierung des vom Runden Tisch vorgeschlagenen Fonds für ehemalige Heimkinder energisch entgegenstellen", erklärte der Präsident des EKD-Kirchenamtes, Hans Ulrich Anke, am Rande der Berichtsübergabe an Bundestagspräsident Norbert Lammert am Mittwoch in Berlin.

"Die evangelische Kirche und ihre Diakonie hoffen, dass der Deutsche Bundestag sich die Ergebnisse des Runden Tisches zu eigen macht", sagte Anke nach Angaben der EKD-Pressestelle in Hannover. Die im Abschlussbericht enthaltenen Empfehlungen sollten zügig und ohne bürokratische Hürden umgesetzt werden. Er hoffe sehr, dass auch die anderen Partner zu dieser Lösung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen stehen, fügte Anke hinzu.

Im Abschlussbericht empfiehlt das Gremium die Einrichtung eines Fonds im Umfang von mindestens 120 Millionen Euro. Daraus sollen frühere Heimkinder Unterstützungen und Rentennachzahlungen erhalten. Über den Fonds müssen Bundestag und Bundesrat entscheiden. Es ist unsicher, ob er noch in diesem Jahr eingerichtet wird.

Von den 40ern bis in die 70er Jahre wuchsen in der damaligen Bundesrepublik 700.000 bis 800.000 Kinder und Jugendliche in Heimen auf. Der Runde Tisch kam nach zweijähriger Arbeit zu dem Ergebnis, dass den Heimkindern vielfach schweres Unrecht angetan wurde.

19. Januar 2011


Heimkinder: Runder Tisch übergibt Abschlussbericht an Lammert

Berlin (epd). Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat sich für eine rasche Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches Heimerziehung ausgesprochen. Die Schicksale der Heimkinder der 50er und 60er Jahre seien alles andere als ein "Routinethema" für das Parlament, sagte Lammert am Mittwoch anlässlich der Übergabe des Abschlussberichts des Runden Tisches im Deutschen Bundestag. Die Vorsitzende des Runden Tisches, die Grünen-Politikerin Antje Vollmer, forderte eine Realisierung der Vorschläge noch in diesem Jahr.

Geklärt werden müsse unter anderem die Einrichtung der im Abschlussbericht vorgeschlagenen Stiftung mit einem Umfang von mindestens 120 Millionen Euro, sagte Vollmer. Daraus sollen frühere Heimkinder Unterstützungen und Rentennachzahlungen erhalten. Daneben brauche es möglichst schnell regionale Anlaufstellen für die Betroffenen, denen die Länderparlamente zustimmen müssen.

Das Bundesfamilienministerium kündigte eine Übergangsregelung für die vom Runden Tisch eingerichtete bundesweite Anlaufstelle an. Nach dem Auslaufen des Mandats der bisherigen Stelle Ende Februar soll die Arbeit für weitere zwölf Monate gesichert sein, kündigte der Leiter der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe im Ministerium, Lutz Stroppe, an. Darauf habe man sich mit den Ländern am Dienstagabend verständigt. In einem halben Jahr will der Runde Tisch überdies erneut zusammenkommen und Bilanz ziehen.

Vertreter der Betroffenen bemängelten unterdessen erneut, dass statt einer generellen Entschädigung nur Zahlungen an einzelne Opfer der Heimerziehung beschlossen werden sollten. Viele Heimkinder würden es als neues Unrecht empfinden, wenn sie nicht entschädigt würden, sagte Heimkinder-Vertreterin Sonja Djurovic. Die Scham und das Stigma seien überdies so tief verwurzelt, dass die meisten Opfer sich ohnehin nicht melden würden, ergänzte sie.

Rolf Breitfeld, nicht stimmberechtigter Vertreter der Heimkinder am Runden Tisch, nannte die Summe von 120 Millionen Euro "erbärmlich". Der Runde Tisch hatte sich allerdings zum Abschluss seiner Beratungen darauf geeinigt, den Fonds nach oben offen zu halten.

Der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hans Ulrich Anke, unterstrich die Erwartung, dass die Hilfen rasch und ohne bürokratische Hürden realisiert werden. Die evangelische Kirche und ihre Diakonie seien bereit, Verantwortung zu übernehmen. Die Kirchen hätten bereits in Absprache mit der Anlaufstelle in akuten Notfällen wie zum Beispiel Krankenhausaufenthalten Hilfe geleistet. Dies solle auch in der Übergangszeit beibehalten werden, bis die Stiftung eingerichtet sei.

Von den 40ern bis in die 70er Jahre wuchsen in der damaligen Bundesrepublik 700.000 bis 800.000 Kinder und Jugendliche in Heimen auf. Mehr als die Hälfte der Einrichtungen befand sich in kirchlicher Trägerschaft.

Der Runde Tisch kam nach zweijähriger Arbeit zu dem Ergebnis, dass den Heimkindern vielfach schweres Unrecht angetan wurde. Dazu zählen demütigende und brutale Behandlung, Gewalt, sexuelle Übergriffe, Freiheitsentzug und Arbeitszwang. Wie viele ehemalige Heimkinder ein Anrecht auf eine Zahlung aus dem Fonds hätten, ist nicht bekannt. In den vergangenen beiden Jahren haben sich einige tausend Betroffene beim Büro des Runden Tisches und anderen Anlaufstellen gemeldet.

19. Januar 2011