Präses Schneider kritisiert "Prekarisierung der Arbeit"

Bonn (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, kritisiert, dass immer mehr Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr leben könnten. "Hier zeigt sich sozialpolitisch dringender Nachbesserungsbedarf", sagte er am Dienstagabend in Bonn. Auch wenn sich die Arbeitsmarktzahlen in den vergangenen Monaten erfreulich verbessert hätten, steige der Anteil der Arbeitnehmer, die befristet, in Teilzeit oder zu niedrigen Löhnen beschäftigt seien.

Diese "Prekarisierung der Arbeit" gebe Anlass zur Sorge, weil "die Daseinsvorsorge für diese Menschen keineswegs armutsfest genannt werden kann", sagte der Präses der rheinischen Landeskirche und frühere Diakoniepfarrer. Wichtig für die Vermeidung von Armut sei auch Bildung. "Dennoch werden gerade die Kommunen, die für den Bereich früher Bildung zuständig sind, finanziell ausgetrocknet", kritisierte der 63-jährige Theologe. Diese Politik setze auf "öffentliche Armut zugunsten privaten Reichtums".

Schneider plädierte in einem Vortrag an der Evangelischen Akademie im Rheinland für eine "sozial und ökologisch gestaltete Marktwirtschaft in globaler Verpflichtung". Dazu gehörten neben Wettbewerb, Marktregeln und sozialen Sicherungssystemen auch ein veränderter Wohlstands- und Wachstumsbegriff und der Verzicht auf Protektionismus. In einer Stellungnahme zur Wirtschafts- und Finanzkrise habe die EKD zudem bereits 2009 festgestellt, "dass die Kosten der Krise nicht auf die wirtschaftlich Schwächeren und die künftigen Generationen abgewälzt werden dürfen, sondern von den Stärkeren zu tragen sind".

Die Gestaltung von Märkten nannte der oberste Repräsentant des deutschen Protestantismus eine der zentralen Zukunftsfragen. Sie habe "Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt, unser Naturverhältnis und die politische Gestalt unserer Gesellschaften". Schneider erneuerte indirekt seinen Vorschlag, die beiden großen Kirchen sollten ein neues gemeinsames Sozialwort erarbeiten, um sich in dieser Frage mit entsprechendem Gewicht zu Wort zu melden. Es könnte "angesichts der Herausforderungen in meiner Sicht hilfreich sein, einen neuen Konsultationsprozess anzustoßen, analog zu jenem, der im Jahr 1997 im Sozialwort der Kirchen mündete", sagte er.

Schneider äußerte sich auf einer Tagung zur Zukunft der sozialen Marktwirtschaft unter der Überschrift "Gezähmte Märkte und verantwortete Freiheit". An den Vorträgen und Workshops beteiligten sich Experten aus Kirche, Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und Politik.

26. Januar 2011