EKD in Sorge um zum Christentum bekehrte Afghanen

Hannover (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist in Sorge um Afghanen, die zum Christentum übertreten. "Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit schließt die Freiheit zum Religionswechsel ausdrücklich ein", sagte EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte am Montag in Hannover dem epd. Er bezog sich auf den seit neun Monaten in Afghanistan inhaftierten Sayed Mussa, dem die Todesstrafe wegen Abfalls vom Islam droht.

Die "New York Times" hatte am Samstag über den Fall des 46-Jährigen berichtet. Schindehütte sagte, die Freiheit zum Religionswechsel unter Strafe zu stellen, widerspreche den fundamentalen Menschenrechtserklärungen. Zugleich werde damit auch die grundmenschliche Haltung verneint, "das eigene Leben in einem sich verändernden Licht zu sehen".

Die EKD kritisiert laut Schindehütte wiederholt die in einigen islamischen Staaten und Rechtssystemen existierenden Strafgesetze für Muslime, die die Religion wechseln. Denn mit diesen Gesetzen werde auch ein enormer Druck auf nicht-muslimische Minderheiten in den betreffenden Ländern ausgeübt.

Im Fall des inhaftierten Sayed bemühen sich amerikanische Diplomaten nach Angaben der "New York Times" seit Monaten um eine politische Lösung. So werde versucht, seine Ausreise in ein Asylland zu erreichen, bisher aber ohne Erfolg.

Auch der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider hatte das Thema Religionswechsel bei seinem Afghanistan-Besuch in der vergangenen Woche angesprochen. Der Regionaldirektor der afghanischen Menschenrechtskommission in Masar-i-Scharif, Quasi Said Mohammad Sane, teilte Schneider mit, dass er einen inhaftierten Christen im Norden Afghanistans betreue. Der Menschenrechtler habe auch von Einschüchterungsversuchen wie Drohbriefen und eingeschlagenen Fensterscheiben berichtet, sagte EKD-Pressesprecher Reinhard Mawick.

Seit dem Sturz der radikal-islamischen Taliban 2001 wurde in Afghanistan keine Hinrichtung mehr wegen religiöser Vergehen bekannt. 2008 war ein Student zum Tode verurteilt worden. Nach weltweiten Protesten wurde die Strafe in 20 Jahre Haft umgewandelt. Präsident Hamid Karsai begnadigte schließlich den jungen Mann.

08. Februar 2011


Christ in Afghanistan von Todesstrafe bedroht

46-Jähriger wegen Religionswechsel seit neun Monaten in Haft

Von Agnes Tandler (epd)

Neu-Delhi (epd). Dem Afghanen Sayed Mussa droht die Todesstrafe, weil er vom Islam zum Christentum übergetreten ist. Auch in Deutschland wächst die Sorge um den Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), der seit neun Monaten in Haft ist.

"Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit schließt die Freiheit zum Religionswechsel ausdrücklich ein", sagte der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, am Montag dem epd. Am Wochenende hatte die "New York Times" den Fall des 46-jährigen Afghanen bekanntgemacht.

Das Leben ging mit Mussa nicht freundlich um. Der Afghane wuchs im bettelarmen Hochland der Bamiyan-Provinz auf, als Schiit unter den mehrheitlich sunnitischen Muslimen in Afghanistan. Mussa gehört zu den Hasara, einer ethnischen Minderheit, die in Afghanistan diskriminiert und benachteiligt wird.

Er trägt eine Prothese. Als junger Mann verlor er ein Bein, als er im Dienst der afghanischen Armee auf eine Landmine trat. Damals kämpfte er an der Seite der sowjetischen Armee gegen Islamisten. Seit rund 16 Jahren arbeitet Mussa für das IKRK und hilft anderen Amputierten, von denen es in Afghanistan wegen der Kriege und Landminen viele gibt. Doch im Mai 2010 wurde der Vater von sechs Kindern verhaftet, wie das IKRK in Genf am Montag bestätigte.

Alles hat damit angefangen, dass Mussa vor neun Jahren zum Christentum fand. Die afghanische Verfassung garantiert zwar die freie Religionsausübung. Doch den Richtern steht es frei, nach dem islamischen Scharia-Gesetz zu urteilen, das einen Religionswechsel als Gotteslästerung ansieht, die mit dem Tode bestraft werden kann.

Mussas Verhaftung im Mai kam zu einem Zeitpunkt, als afghanische Fernsehsender über ausländische Organisationen berichteten, die angeblich Afghanen zum Christentum bekehrten. Die Regierung schloss die Büros zweier christlicher Hilfswerke, der Norwegian Church Aid und des Church World Service.

Die Vorwürfe wurden eingehend untersucht, obwohl die Anschuldigungen haltlos waren. Dennoch gab es in Kabul tagelang wütende Straßenproteste. Mussas Inhaftierung passte da gut ins Stimmungsbild.

Mussa erzählte einem Reporter der "New York Times", der ihn im Gefängnis besuchte, wie er im Bürgerkrieg der 90er Jahre zum Christentum fand: Der selbstlose Einsatz zweier Ausländerinnen habe ihn beeindruckt, die mit bloßen Händen nach Überlebenden suchen halfen, als ein Nachbarhaus in Kabul durch Bomben in Trümmer sank. Sie seien Christinnen gewesen, sagte Mussa. Das habe ihn dazu bewegt, später den Glauben zu wechseln.

Mussas Schicksal ist unklar. Auf Druck der amerikanischen Botschaft sei der Mann in ein Gefängnis verlegt worden, in dem er vor gewaltsamen Übergriffen durch andere Häftlinge sicher sei, berichtete die "New York Times". IKRK-Mitarbeiter besuchten den früheren Kollegen bislang viermal in seiner Haftzeit, sagte ein Sprecher in Genf.

Ein Prozess wurde immer wieder verschoben. Ein Richter hat einen ausländischen Rechtsanwalt abgelehnt. Mussa sagte der Zeitung, sein afghanischer Verteidiger sei mehr ein Ankläger als ein Rechtsbeistand.

Ein Fall wie der von Mussa ist in Afghanistan sehr selten. Ein Mann, der 2006 zum Tode verurteilt worden war, weil er konvertiert war, erhielt in Italien Asyl. In der Regel bemühen sich ausländische Organisationen gemeinsam mit den afghanischen Stellen diskret um eine Lösung. Sie befürchten eine öffentliche Empörung, falls die Fälle publik werden.

Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hatte das Thema Glaubenswechsel bei seinem Afghanistan-Besuch in der vergangenen Woche angesprochen. Schneider erfuhr von einem inhaftierten Christen im Norden des Landes, für den sich die afghanische Menschenrechtskommission einsetzt. Die Menschenrechtler werden deshalb angefeindet: Es gab Drohbriefe und eingeschlagene Fensterscheiben.

08. Februar 2011