Bischof Fischer: Umstieg in erneuerbare Energien forcieren

epd-Gespräch: Rainer Clos

Frankfurt a.M./Karlsruhe (epd). Der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer will sich in der Ethik-Kommission zur Zukunft der Atomkraft für eine ethisch verantwortbare Energiewende einsetzen. Neben einem Ausstiegsszenario sei auch ein Fahrplan wichtig, wie der Umstieg in die erneuerbaren Energien forciert werden kann, sagte Fischer in einem epd-Gespräch. Er werde in dem Beratergremium der Bundesregierung eine biblisch-theologische Position vertreten, "die den in der evangelischen Ethik gewonnenen Konsens in der Ablehnung der Atomkraft einbringt", kündigte das Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland an.

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Ethik-Kommission eingesetzt, um über die Zukunft der Kernenergie zu beraten. Das Gremium kommt am Montag erstmals zusammen.

Bischof Fischer sagte, Abschalten jetzt und Import von Atomstrom aus dem Ausland seien für ihn keine Option: "Das ist aus meiner Sicht eine scheinheilige Position." Vielmehr müssten Wege aufgezeigt werden, wie der Energiebedarf aus anderen Quellen gedeckt werden kann. Der Umstieg in die erneuerbaren Energien setze aber voraus, dass unter breiter Bürgerbeteiligung die notwendigen Transportwege für diese Energieformen sichergestellt werden können.

Über die unmittelbaren Risiken der Kernenergie hinaus gebe es noch die ungeklärte Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle, sagte der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden. Von einer sicheren Endlagerung sei Deutschland noch sehr weit entfernt: "Wir hinterlassen unseren Kindern ein Erbe, von dem wir überhaupt nicht wissen, wie es verwaltet werden soll."

Die Beratungen in der Ethik-Kommission können Fischer zufolge zu einer Versachlichung der Atomdebatte in Deutschland beitragen. Alle Kommissionsmitglieder stünden in einer gewissen "Halbdistanz" zur Atomtechnologie. Allerdings seien Kontroversen bei der Frage zu erwarten, welches Tempo für den Umstieg in die erneuerbaren Energien für realistisch gehalten wird, sagte der evangelische Theologe.

Den Vorsitz der Ethik-Kommission teilen sich der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Matthias Kleiner. Weitere Mitglieder kommen aus Kirche, Wirtschaft und Wissenschaft.

01. April 2011


Bischof Fischer: Abschalten jetzt ist keine Option

Ethik-Kommission der Bundesregierung nimmt am Montag Arbeit auf

epd-Gespräch: Rainer Clos

Frankfurt a.M./Karlsruhe (epd). Von den Beratungen der Ethik-Kommission zur Atomkraft erwartet der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer ein ethisch verantwortbares Ausstiegsszenario als Ergebnis. Ebenso wichtig sei ein Szenario, wie der Umstieg in die erneuerbaren Energien forciert werden kann, sagte Fischer in einem epd-Gespräch. Er werde in dem Beratergremium der Bundesregierung eine biblisch-theologische Position vertreten, "die den in der evangelischen Ethik gewonnenen Konsens in der Ablehnung der Atomkraft einbringt", kündigte das Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland an.

epd: Bischof Fischer, die Wahlen sind vorbei. Die Ethik-Kommission der Bundesregierung kommt am Montag erstmals zusammen. Was ist der Auftrag des Rates der Weisen?

Ulrich Fischer: Der Auftrag wird mit Sicherheit bei der Begegnung mit der Kanzlerin genauer definiert. Anschließend kommen die Mitglieder der Kommission zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Ich kann nur sagen, was ich als meinen Auftrag sehe. Ich sehe es als meine Aufgabe, eine biblisch-theologisch fundierte ethische Position zu vertreten, die den in der evangelischen Ethik gewonnenen Konsens in der Ablehnung der Atomkraft einbringt. Wenn man auf die Zusammensetzung des Gremiums schaut, dann denke ich, wird gerade die Mehrdimensionalität der ethischen Perspektiven eine große Rolle spielen.

epd: Sie haben es schon angesprochen: In der Kommission sitzen Gewerkschafts- und Unternehmensvertreter neben Wissenschaftlern und Bischöfen. Viel Zeit bleibt nicht. Wird das eine leichte Veranstaltung?

Fischer: Ich sage jetzt etwas Riskantes. Aufgrund der furchtbaren Vorgänge von Japan, die uns vor Augen führen, wohin ein solcher GAU oder Super-GAU der Atomtechnologie führen kann, nehme ich an, dass die Aufgabe der Ethik-Kommission - leider - leichter wird. Über manche furchtbaren Folgen lässt sich nicht mehr streiten. Niemand hätte vor wenige Wochen noch zu sagen gewagt, dass ein solches Hochtechnologie-Land mit einer solchen Katastrophe rechnen muss.

Nach Tschernobyl wurde argumentiert, der Reaktorunfall sei passiert, weil man dort mit der Technologie nicht umzugehen vermochte. Dieses Argument lässt sich jetzt überhaupt nicht mehr verwenden. Japan zeigt, dass auch ein Land mit höchstem Forschungs- und Wissensstand vor einer solchen Katastrophe nicht geschützt ist.

Auch wenn Deutschland kein Erdbebengebiet wie Japan ist, zeigt der Unfall, dass solche Risiken auch bei uns gegeben sind. Das macht die Ausgangslage für unsere ethischen Überlegungen weniger strittig. Die Ausgangsbasis wäre erheblich schwieriger, wenn wir uns zunächst darüber auseinandersetzen müssten, ob solche Folgen in einem Hochtechnologie-Land wie Deutschland eintreten könnten. Darüber dürfen wir gar nicht mehr streiten. Es bleibt nur noch die Frage: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für ein ethisch verantwortliches politisches Handeln?

Dennoch sind Kontroversen zu erwarten, weil es bei der Technikfolgenabschätzung unterschiedliche Interessenslagen gibt. Die Urteilsbildung wird dann bestimmt von der Frage, welches Tempo für den Umstieg in die erneuerbaren Energien für realistisch gehalten wird.

epd: Wo liegen aus Ihrer Sicht die Zielkonflikte bei der Neuausrichtung der Energiepolitik?

Fischer: Die Spannung zwischen Ökonomie und Ökologie ist eine Konfliktlinie, die auszutarieren ist. Dass wir der Ökologie angesichts des Klimawandels einen größeren Stellenwert einräumen müssen, ist weithin unstrittig. Aber wie wir das ökonomisch verträglich hinbekommen, wird eine spannende Frage sein.

Unter dem Aspekt des Klimaschutzes wurde noch bis vor kurzem die Atomenergie als eine CO2-freie Technologie besonders gelobt. Diese Gewichtung lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Dennoch haben wir die Verpflichtung, den CO2-Ausstoß in einem schnellen Tempo drastisch zu reduzieren. Diese Zielsetzungen müssen in Einklang gebracht werden unter den Prämissen von Nachhaltigkeit und Schöpfungsverträglichkeit. Was wir unseren Kindern hinterlassen und was die Erde aushalten kann, sind Perspektiven, unter denen ich diese Zielkonflikte diskutieren möchte.

epd: In Deutschland wird über die Risiken der Kernenergie sehr emotional diskutiert. Kann die Ethik-Kommission auch zu einer Versachlichung dieser Debatte beitragen?

Fischer: Ich bin fest davon überzeugt, dass sie das kann. Denn in der Kommission sind kaum Akteure, die im operativen politischen Geschäft stehen oder direkte Interessen an der Technologie haben. Alle Kommissionsmitglieder stehen in einer gewissen Halbdistanz zur Atomtechnologie. Das kann wohl dazu verhelfen, dass die Debatte in großer Sachlichkeit geführt wird.

epd: Was ist denn die Position der Kirchen im Blick auf die friedliche Nutzung der Kernenergie? Sprechen die beiden großen Kirchen in dieser Frage mit einer Stimme?

Fischer: Kardinal Reinhard Marx und ich haben angesichts der Katastrophe von Fukushima - nahezu gleichlautend und ohne dass wir voneinander wussten - gefordert, dass der Ausstieg aus der Kernenergie und der Umstieg in die regenerativen Energien schnellstmöglich erfolgen muss. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir beide mit derselben Position in die Diskussion hineingehen.

In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) haben wir eindeutige Synodenbeschlüsse. Die bilden allerdings nicht einfach einen Konsens unter den Kirchenmitgliedern ab. Denn auch unter evangelischen Christen gibt es Befürworter der Kernenergie. Aber die Synoden der EKD und der Landeskirchen haben mehrfach die Notwendigkeit des Ausstiegs betont.

Noch wichtiger als das Szenario einer Katastrophe ist für mich dabei die ungeklärte Frage der Endlagerung der atomaren Abfälle. Wir hinterlassen unseren Kindern ein Erbe, von dem wir überhaupt nicht wissen, wie es verwaltet werden soll. Im Blick auf eine Halbwertzeit radioaktiver Stoffe von etlichen tausend Jahren ist eine sichere Endlagerung eine Notwendigkeit, um die Nutzung der Kernenergie bejahen zu können. Davon sind wir aber in Deutschland noch sehr weit entfernt, in anderen Ländern Europas auch.

epd: Sollen die Kernkraftwerke, die während des Moratoriums bis 15. Juni abgeschaltet bleiben, endgültig stillgelegt werden?

Fischer: Das scheint sich als politischer Konsens schon abzuzeichnen. Dennoch möchte ich die Gespräche in der Kommission nicht durch Vorabfestlegungen erschweren. Jetzt etwa zu sagen, es muss eine bestimmte Zahl von Anlagen abgeschaltet bleiben, halte ich vor der Diskussion der Kommission für schwierig.

Aber für mich ist vollkommen klar: es muss am Ende der Beratungen ein ethisch verantwortbares Ausstiegsszenario geben. Ebenso wichtig ist ein Szenario, das aufzeigt, wie der Umstieg in die erneuerbaren Energien so forciert werden kann, dass - unter breiter Bürgerbeteiligung - auch die notwendigen Transportwege für diese Energieformen sichergestellt werden können. Das wird nicht klappen, wenn die Gegner von Atomkraft auch den Ausbau von Leitungen für erneuerbare Energien etwa verhindern.

Für mich ist es keine Option zu sagen: Abschalten jetzt und dann atomare Energie aus dem Ausland beziehen. Das ist aus meiner Sicht eine scheinheilige Position. Wenn wir die Atomkraftwerke abschalten, muss dies in einem Szenario erfolgen, in dem Energiebedarf aus anderen Quallen gedeckt werden kann. Das heißt aber auch: Es muss auch darüber diskutiert werden, wie wir den Verbrauch von Energieressourcen verantwortlicher gestalten können. Auf diesen Aspekt wird aus meiner Sicht bisher zu wenig Wert gelegt.

01. April 2011