EKD-Ratsvorsitzender würdigt Kardinal Lehmann zum 75. Geburtstag

Hannover/Mainz (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, hat Kardinal Karl Lehmann zum 75. Geburtstag am 16. Mai gratuliert. In einem am Freitag verbreiteten Schreiben würdigt Schneider die theologische Offenheit, geistige Wendigkeit sowie "liebenswürdige Verbindlichkeit und inhaltliche Ernsthaftigkeit" des Mainzer Bischofs. Seine Menschlichkeit und ökumenisches Engagement seien seinen Vorgängern und ihm selbst "immer ein großer Gewinn" gewesen, fügte Schneider hinzu.

Kardinal Lehmann, der mehr als 20 Jahre lang an der Spitze der katholischen Deutschen Bischofskonferenz stand, erreicht mit 75 Jahren die für katholische Bischöfe übliche Altersgrenze. Gemäß dem Kirchenrecht hatte er deshalb seinen Rücktritt angeboten. Papst Benedikt XVI. lehnte das Gesuch jedoch ab und ließ ihn wissen, er möge über seinen Geburtstag hinaus im Bischofsamt verbleiben.

Schneider erklärte, Lehmann blicke auf eine "lange gemeinsame Geschichte in ökumenischer Verbundenheit und fruchtbarer Auseinandersetzung mit seinen evangelischen Glaubensgeschwistern zurück". Lehmann habe den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils, in dem sich die römisch-katholische Kirche Mitte der 1960er Jahre der modernen Welt geöffnet hatte, überzeugend vertreten. Zudem habe er den Gesprächsfaden "zu uns evangelischen Geschwistern nie abreißen lassen", unterstrich Schneider. Er freue sich auf künftige Begegnungen.

Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Johannes Friedrich (München), dankte Kardinal Lehmann "für sein Engagement für den ökumenischen Dialog auf Weltebene und in Deutschland und für die Suche nach vertiefter Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen". Immer wieder sei zu erleben gewesen, wie Lehmann den im Zweiten Vatikanischen Konzil "aufgebrochenen ökumenischen Geist lebendig gehalten" habe.

13. Mai 2011


Bischof, Kirchenpolitiker und Professor

Kardinal Karl Lehmann wird 75 Jahre alt

Von Rainer Clos (epd)

Mainz (epd). Bald drei Jahrzehnte ist er Bischof von Mainz. Mehr als 20 Jahre stand er an der Spitze der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Über alledem ist Karl Lehmann immer ein Gelehrter, ein angesehener Professor der Theologie geblieben.

Am 16. Mai wird Lehmann 75 Jahre alt und erreicht damit die für katholische Bischöfe übliche Altersgrenze. Gemäß dem Kirchenrecht hatte er deshalb zeitig seinen Rücktritt angeboten. Doch der Papst lehnte das Gesuch ab und ließ den Bischof wissen, er möge über seinen Geburtstag hinaus im Amt verbleiben "bis auf andere Weise Vorsorge getroffen ist". Er müsse nun nicht Abschied feiern, sondern "nur" seinen Geburtstag, zeigt sich der Bischof kürzlich vor Journalisten erleichtert.

"Mit 80 ist in jedem Fall Schluss", unterstreicht Lehmann. Er werde nun seinen Dienst weiter tun, "soweit ich das kann", ergänzt der Geistliche und verweist auf gesundheitliche Grenzen: "Ab jetzt läuft der Countdown." Sorge vor Langeweile kennt der Kardinal allerdings nicht: Neben der Leitung des Bistums, den Aufgaben in der Bischofskonferenz und in vatikanischen Gremien ist er weiter ein gefragter Gesprächspartner. Vor der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft, beim Hegel-Kongress, in Universitäten oder vor Wirtschaftsjunioren wird er in den nächsten Wochen Vorträge halten - akribisch mit Fußnoten versehen, die von der Durchdringung des Themas zeugen.

Papst Johannes Paul II. ernannte ihn 1983 zum Mainzer Bischof. Zum Vorsitzenden der deutschen Bischöfe wurde Lehmann 1987 gewählt. Überraschend erhob Papst Johannes Paul II. ihn 2001 zum Kardinal. In seiner langen Amtszeit hat es nicht an Bewährungsproben gefehlt: Sie hatten mit internen Spannungen im deutschen Katholizismus zu tun, der seine Geschlossenheit verloren hatte, ebenso wie mit Druck aus Rom.

Die Debatte um die Kommunion geschiedener und wiederverheirateter Katholiken, die er mit den südwestdeutschen Bischofskollegen Walter Kasper und Oskar Saier angestoßen hatte, war ein Beispiel, die Auseinandersetzung über den Verbleib der katholischen Kirche in die Schwangeren-Konfliktberatung ein anderes.

"In all diesen Konflikten waren Lehmanns Fähigkeiten zur geduldigen Vermittlungsarbeit, zur sachorientierten Diplomatie und zum Aushalten nicht zu bewältigender Spannungen teilweise fast im Übermaß beansprucht", urteilt der katholische Publizist und Lehmann-Schüler, Ulrich Ruh. Den liberalen Kräften ist der Mainzer Bischof zu kirchlich, den Konservativen zu liberal.

Plakative Formeln sind seine Sache nicht, und dem Trend zur Simplifizierung entzieht er sich beharrlich. Stattdessen setzt er auf kleine Schritte. Der innerkatholische Dialogprozess, der die Vertrauenskrise nach dem Missbrauchsskandal überwinden soll, dürfe kein Selbstzweck werden, sondern müsse der Problemlösung dienen, mahnt Lehmann. Deshalb müsse unterschieden werden, worüber die katholische Kirche in Deutschland selber beschließen kann und bei welchen Fragen die Weltkirche am Zug ist.

Im Kreis der katholischen Bischöfe zählt Lehmann bis heute zu den erfahrensten Ökumenikern. Seit 1969 gehört er dem renommierten "Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen" an, den er als seine "geistig-geistliche Heimat" bezeichnet. In der evangelischen Kirche ist Lehmann als kluger und verlässlicher Partner geschätzt.

Als Sohn eines Volksschullehrers wuchs Lehmann in der Nähe von Sigmaringen auf. In Freiburg und Rom studierte er Philosophie und Theologie. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde er Assistent des Konziltheologen Karl Rahner, später dann Theologieprofessor in Mainz und Freiburg. Diese Aufbruchszeit im Katholizismus ist es, die Lehmanns Wirken als Bischof und Kirchenpolitiker bis heute prägt. "Meine Generation, die stark unter dem Einfluss des Konzils stand, gibt jetzt die Stafette weiter", sagt er. Und den Nachwuchskräften, die die Erneuerung durch das Konzil nur aus Vorlesungen kennen, sagt er, jede Generation habe ihre eigene Chancen.

13. Mai 2011