EKD-Ratsvorsitzender Schneider: Aus Finanzkrise zu wenig Lehren gezogen

Unternehmer wirbt für Ethik in der Wirtschaft

Heidelberg (epd). Aus der Finanzmarktkrise sind nach Ansicht des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, bislang nur unzureichende Lehren gezogen worden. "Das große Kasino scheint immer noch nicht geschlossen", sagte Schneider am Mittwochabend beim 2. Peterskirchen-Dialog in Heidelberg im Gespräch mit dem nordbadischen Unternehmer Wolfram Freudenberg. Schneider sprach sich "gegen die maßlose Vernichtung von Ressourcen" aus und forderte ein Integritätskonzept für die Wirtschaft.

Der oberste Repräsentant der evangelischen Kirche forderte zudem ein "grundsätzliches Mehrgenerationendenken" in der Wirtschaft. Eine auf die Zukunft ausgerichtete Lebenseinstellung könne nur mit einer zurückhaltenden Nutzung der Ressourcen der Erde einhergehen. Doch habe er nicht den Eindruck, dass die Orientierung am kurzfristigen Erreichen hoher oder höchster Gewinne inzwischen einer langfristigeren Orientierung in den DAX-Unternehmen oder auf den Finanzmärkten gewichen sei, fügte Schneider zum Thema "Verantwortung für eine zukunftsfähige Weltwirtschaft" hinzu.

Wolfram Freudenberg, Sprecher der Freudenberg-Familie und gleichnamigen Unternehmensgruppe im nordbadischen Weinheim, warb um global anerkannte Werte im Unternehmertum. Wirtschaftliches Handeln müsse sich an den Prinzipien und Grundwerten der Humanität ausrichten, an Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Solidarität, Wahrhaftigkeit und Toleranz sowie gegenseitiger Achtung und Partnerschaft.

In seinem Unternehmen seien ethische und soziale Werte im Gesellschaftervertrag verankert, sagte Freudenberg, dessen Unternehmensgruppe weltweit in rund 60 Ländern aktiv ist. Der Firmensprecher hatte sich nach der Wirtschafts- und Finanzkrise zusammen mit dem katholischen Theologen Hans Küng und einer Gruppe von Wissenschaftlern und Unternehmern vor den Vereinten Nationen in New York für ein weltweit gültiges Wirtschaftsethos stark gemacht.

"Wir brauchen Fairness, Anstand, Loyalität und Verantwortungsbewusstsein als ehrbare Kaufleute", sagte Freudenberg. Ein Ethos des Wirtschaftens existiere bisher nur in den Anfängen. Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider erklärte indes: "Wir müssen das derzeitig herrschende Verständnis von Wachstum korrigieren". Die Abhängigkeit vieler Aktivitäten von diesem Wachstum müsse seiner Ansicht nach dringend reduziert werden. "Es geht um das Erreichen qualitativ hochwertiger Ziele, um die Qualität des Lebens auf diesem Globus. Dem ist alles andere nachzuordnen."

Alle wirtschaftlichen Akteure stünden in einer "treuhänderischen Verantwortung für die Schöpfung Gottes", sagte Schneider. Die Kirchen hätten seit ihrem Sozialwort von 1997 immer wieder darauf hingewiesen, dass die Idee der Sozialen Marktwirtschaft heute um Gesichtspunkte der ökologischen Verträglichkeit und der internationalen Gerechtigkeit ergänzt werden müsse, unterstrich Schneider.

19. Mai 2011