Präses Schneider: Kirchentag will etwas bewegen

Drei Fragen an den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

epd-Gespräch: Karsten Frerichs

Frankfurt a.M. (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, erwartet vom evangelischen Kirchentag in Dresden ein "kraftvolles Signal für eine nachhaltige Energiewende" in Deutschland. Er sei guter Hoffnung, dass der Ausstieg aus der Kernenergie gelingt, sagte der rheinische Präses in einem Gespräch mit dem epd. Dass der Papstbesuch im September den 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 1. bis 5. Juni in der Rückschau auf das Jahr überstrahlen könnte, sieht Schneider nach eigenen Worten gelassen: "Man muss auch jönne könne!"

epd: Präses Schneider, wenn Anfang Juni in Dresden der evangelische Kirchentag gefeiert wird, stellt die Bundesregierung in Berlin die Weichen für die künftige Atompolitik in Deutschland. Welches Signal wird der Kirchentag an die Politik senden?

Schneider: Ich bin überzeugt, dass der Kirchentag in Dresden ein kraftvolles Signal für eine nachhaltige Energiewende setzen wird. Damit steht er in einer großen Kontinuität. Der epochemachende Dreiklang "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" wurde ja vor mehr als 25 Jahren auf dem Düsseldorfer Kirchentag 1985 geprägt. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist ein wichtiges Anliegen vieler Christinnen und Christen seit langem, denn diese Technologie übersteigt das menschliche Maß. Ich bin im Moment guter Hoffnung, dass der Ausstieg gelingt, denn es besteht nach Fukushima die große Chance, dass ein jahrzehntelanger gesellschaftlicher Dissens im Konsens gelöst wird.

epd: In der Gastgeberstadt Dresden sind Christen deutlich in der Minderzahl. Läuft der Kirchentag Gefahr, zu einer verwechselbaren Großveranstaltung mit religiösem Anstrich zu verkommen?

Schneider: Die Sorge habe ich überhaupt nicht. Dresden wird sich wundern, wie kreativ und bunt es zugehen wird. Das ist eben das Unverwechselbare an einem Kirchentag: Es wird viel geboten, aber alle bieten als Teilnehmende mit. Singen, Beten, Streiten und Lachen verträgt keine Konsumentenhaltung, und die Menschen, die zum Kirchentag gehen, wollen etwas bewegen und sich nicht berieseln lassen! Der Kirchentag wird einige Tage laufen, das Leben der Stadt prägen, ohne sie zu vereinnahmen.

epd: Gut drei Monate nach dem Kirchentag kommt Papst Benedikt XVI. nach Deutschland. Überstrahlt der Besuch des katholischen Kirchenoberhauptes das protestantische Großereignis des Jahres 2011?

Schneider: Das kann man schwer vergleichen. Der Kirchentag ist vor der Sommerpause, der Papstbesuch danach. Das mit dem Überstrahlen wird also technisch schon schwierig. Aber im Ernst: Beide Ereignisse sind von großem Wert für die Kirchen und alle Menschen in unserem Land. Auf beides freue ich mich sehr, zumal wir ja erfahren durften, dass auch Papst Benedikt großen Wert auf ein ausführliches Treffen mit der evangelischen Kirche legt. Ich empfinde es als ein großartiges Zeichen, dass der Papst unsere Einladung ins Augustinerkloster nach Erfurt angenommen hat, wo Martin Luther einst als Mönch lebte.

Sehr wichtig und bedeutend finde ich auch, dass wir gemeinsam Gottesdienst feiern. Der Kirchentag ist sowieso immer eine Hochzeit im Jahr. So viele Begegnungen, so viel Kraft, so viele Impulse! Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Wenn der Papstbesuch später in den Jahresrückblicken ein bisschen mehr Sendezeit bekommt als der Dresdner Kirchentag - sei's drum! Wie sagen wir im Rheinland immer: Man muss auch jönne könne!

24. Mai 2011


Kirchlich engagierte Grüne

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt steht an der Spitze des Kirchentages

Frankfurt a.M. (epd). Katrin Göring-Eckardt ist die erste Grünen-Politikerin an der Spitze des Deutschen Evangelischen Kirchentages: Sie ist Präsidentin des 33. Kirchentages, der Anfang Juni in Dresden stattfindet. Die Bundestagsabgeordnete, die 1966 im thüringischen Friedrichroda zur Welt kam, folgte 2009 auf die damalige Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck.

Ihre politische Karriere begann Göring-Eckardt, die in Leipzig evangelische Theologie studiert hat, zur Zeit des politischen Umbruchs in der DDR: 1989 war sie Gründungsmitglied von "Demokratie jetzt" und "Bündnis 90", später gehörte sie dem thüringischen Landesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen an, ehe sie 1998 als Abgeordnete in den Bundestag einzog. Seit 2005 ist Göring-Eckardt Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.

Die Ostdeutsche mit kirchlichem Hintergrund bezieht immer wieder zu ethischen Fragen Stellung - sei es zum Thema Patientenverfügung oder zur Kinderarmut. In der aktuellen Diskussion um die sogenannte Präimplantationsdiagnostik tritt sie für ein Verbot der Embryonentests ein. Göring-Eckardt ist mit einem Pfarrer verheiratet und hat zwei Söhne.

Seit 2009 ist sie zudem Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Kraft Amtes gehört sie damit auch dem Rat der EKD an. Wie bereits Ende der 90er Jahre, als Altbundespräsident Richard von Weizsäcker sowohl Kirchentagspräsident als auch Mitglied im Rat der EKD war, sind damit in der Person Katrin Göring-Eckardt wieder verfasste Kirche und Laienbewegung miteinander verschränkt.

Die bekennende Christin hat zahlreiche Ämter und Aufgaben in Kirche und Gesellschaft: Sie sitzt im Kuratorium der Hermann Kunst-Stiftung zur Förderung der neutestamentlichen Textforschung und im Beirat der Evangelischen Akademie zu Berlin. Darüber hinaus ist Göring-Eckardt Mitglied im Verein "Gegen das Vergessen - Für Demokratie". Ihr Amt als Kirchentagspräsidentin endet nach dem Großereignis in Dresden. Beim nächsten Kirchentag 2013 in Hamburg wird der Trierer Rechtswissenschaftler Gerhard Robbers die Präsidentschaft übernehmen.

24. Mai 2011