Langjähriger EKD-Synodenpräses Schmude wird 75

Frankfurt a.M. (epd). Der ehemalige Bundesminister und langjährige Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Jürgen Schmude, wird am Donnerstag (9. Juni) 75 Jahre alt. Der promovierte Jurist wurde erstmals 1985 zum Präses der EKD-Synode gewählt. Er stand von 1985 bis 2003 an der Spitze des evangelischen Kirchenparlaments und spielte bei der Wiedervereinigung der evangelischen Kirche nach 1990 eine maßgebliche Rolle.

Für die SPD gehörte Schmude, der im ostpreußischen Insterburg geboren ist, von 1969 bis 1994 dem Bundestag an. Während der sozial-liberalen Koalition war der Jurist zunächst Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, später leitete er das Bildungs- und Justizressort. Auf die ihm 1993 angetragene Berufung zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichtes verzichtete der Rechtspolitiker, nachdem die SPD-Frauen auf eine weibliche Besetzung des Richterpostens gedrängt hatten.

Auch nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik bleibt Schmudes Rat zu gesellschaftspolitischen Themen gefragt. So gehörte er der "Weizsäcker-Kommission" an, die 1999/2000 Vorschläge zur Reform der Bundeswehr formulierte. Außerdem war er Mitglied der unabhängigen "Süssmuth-Kommission", die sich 2001 im Auftrag der rot-grünen Koalition mit der Neuausrichtung der Zuwanderungspolitik befasste. Überdies leitete Schmude eine parteinterne Untersuchungskommission, die 2002 Licht in die Kölner SPD-Spendenaffäre bringen sollte. Seit 2005 gehörte er dem Nationalen Ethikrat an und wurde 2008 ebenfalls in den Deutschen Ethikrat berufen.

Auch nach seinem Ausscheiden aus der EKD-Synode 2003 ist Schmude ehrenamtlich in kirchlichen Gremien aktiv. Die Union Evangelischer Kirchen ehrte ihn 2009 mit dem Karl-Barth-Preis. Im selben Jahr verlieh ihm die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn die theologische Ehrendoktorwürde.

07. Juni 2011


Politiker und Protestant mit Einfluss

Langjähriger EKD-Synodenpräses Jürgen Schmude wird 75 Jahre alt - (Porträt)

Von Rainer Clos (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Es ist ruhig um Jürgen Schmude. Doch das hat nicht mit seinem Abschied aus Leitungsaufgaben in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Rückzug aus der Tagespolitik zu tun. Schon in seiner aktiven Zeit war der Politiker und Protestant Schmude alles andere als ein "Lautsprecher". Schmude steht im Ruf, zu den einflussreichen Stillen im Lande zu gehören. An diesem Donnerstag wird er 75 Jahre alt.

Nahezu 18 Jahre leitete der SPD-Politiker als Präses die EKD-Synode. Dabei moderierte er das Kirchenparlament souverän, mit sprödem Humor und einem Schuss Ironie an manchen Zerreißproben und Untiefen vorbei. Natürlich beherrscht er die Kunst der Taktik, aber Machtspiele sind ihm eher fremd. Stattdessen verkörpert er eine seltenen Mischung von Sachverstand, Verlässlichkeit und Weitsicht.

"Dr. Schmude ist ein schmaler, hochgewachsener Mann, der durch seine liebenswürdige Korrektheit Vertrauen einflößt", notierte die DDR-Bürgerrechtlerin Barbara Bohley in ihrem "Englischen Tagebuch 1988", das in diesem Jahr erschienen ist. Gerade beim Zusammenhalt der evangelischen Christen im geteilten Deutschland, sowie im Prozess der Wiedervereinigung der EKD nach 1990 nahm Schmude eine Schlüsselrolle ein. Ganz unspektakulär und abseits öffenlichkeitswirksamer Auftritte engagiert er sich mit seiner Frau Gudrun ganz praktisch um kirchliche Partnerschaften zwischen Ost und West.

Der Politik wandte sich der gebürtige Ostpreuße, der seine Heimat im niederrheinischen Moers gefunden hat, unter dem Einfluss Gustav Heinemanns zu, 1957 schloss er sich der SPD an. Als Abgeordneter des Bundestages, dem er von 1969 bis 1994 angehörte, favorisierte Schmude die Arbeit in Ausschüssen, Arbeitsgruppen und Kommissionen, in denen ohne Rampenlicht um Lösungen gerungen wird. Das Metier des Juristen war dabei neben Rechts- und Innenpolitik die Deutschlandpolitik. Am Zustandekommen manch heikler Kompromisse, etwa im Abtreibungsrecht, hatte er erheblichen Anteil.

Erste Erfahrung in der Exekutive sammelte er ab 1974 als Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium. Kanzler Helmut Schmidt machte ihn 1978 zum Bildungsminister, von Hans-Jochen Vogel übernahm er 1981 bis zum Ende der sozial-liberalen Koalition das Justizressort.

Schmude wurde erstmals von der EKD-Synode 1985 zu ihrem Präses gewählt. Aus der ersten Reihe der Fraktionsarbeit zog er sich anschließend zurück. Dezidiert legte er Wert darauf, politisches und kirchliches Amt nicht zu vermischen. Die unangefochtene Autorität der Kirchenmanns resultierte aus seinem Vermögen, zwischen unterschiedlichen Positionen in der evangelischen Kirche ausgleichen zu können. Unaufgeregt mühte er sich um deren Zusammenhalt und Politikfähigkeit.

Schmudes Leitungsstil in der EKD-Synode verglich der ehemalige hessen-nassauische Kirchenpräsident Peter Steinacker mit einem afrikanischen Hirten: "Europäische Hirten gehen ihren Tieren voran. Afrikanische laufen der Herde hinterher - die Tiere wissen schon, wo der Hirte hinwill."

Mit Heinemann teilt Schmude auch eine ausgeprägte Zurückhaltung gegenüber öffentlichen Ehrungen, wie er einmal bekannte. Dennoch, völlig entziehen konnte er sich Auszeichnungen nicht: Die Union Evangelischer Kirchen ehrte ihn 2009 mit dem Karl-Barth-Preis. Im selben Jahr verlieh ihm die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn die theologische Ehrendoktorwürde. Gerühmt wurde Schmude in beiden Fällen als einer der bedeutendsten Repräsentanten des Protestantismus in Deutschland.

Völlig abgemeldet hat sich der Politiker und Protestant Schmude noch nicht: "Ich habe mir nichts gesucht, es ist einfach gekommen." Im Kirchenkreis seiner Heimatgemeinde Moers ist er ehrenamtlich engagiert. Auch im Deutschen Ethikrat, wie zuvor im Nationalen Ethikrat ist sein Rat gefragt. Überdies engagiert er sich im Herbert-Wehner-Bildungswerkes. Hin und wieder meldet er sich mit einem Leserbrief zu Wort, wenn er es für angemessen hält.

07. Juni 2011