Alte Mauern lebendig werden lassen

Immer mehr Ehrenamtliche lassen sich zu Kirchenführern ausbilden

Von Karen Miether (epd)

Bispingen/Hildesheim (epd). Die "Ole Kerk" von 1353 steht offen. Eine ganze Busladung mit Touristen ist angereist, um den schlichten Feldsteinbau zu besichtigen. Vor der Tür begrüßt Christa Dittmer die Gäste auf Plattdeutsch: "Von Harten Willkommen." Die Sprache ist typisch für die Lüneburger Heide, in deren Herzen die Kirche in Bispingen liegt. Weil sich "op platt" anschaulich erzählen lässt, schnackt die Kirchenführerin es gern. Christa Dittmer ist eine von bundesweit fast 1.000 Ehrenamtlichen, die eigens eine Ausbildung gemacht haben, um Besucher die Faszination von Kirchbauten näherzubringen.

Jeder zweite Deutsche besucht einer aktuellen Studie zufolge in seinem Urlaub gerne Kirchen und Klöster. Allerdings sehen viele laut der Untersuchung der Universität Paderborn und der Thomas-Morus-Akademie die Sakralbauten eher als eindrucksvolle Sehenswürdigkeiten an und weniger als lebendige Orte des Glaubens.

Der Bundesverband für Kirchenpädagogik in Nürnberg engagiert sich seit vielen Jahren, um deutlich zu machen, dass Kirchen keine Museen sind. 14 Einrichtungen vor allem der evangelischen Kirchen böten derzeit deutschlandweit 120-Stunden-Kurse nach seinem Konzept an, sagt Verbandsvertreterin Antje Rösener. Christa Dittmer trägt seit 2006 das Zertifikat des Verbandes.

Sie lässt Besucher das Gemäuer der "Olen Kerk" anfassen und berichtet, wie die Heidjer im Mittelalter Steine von den Feldern für die Kirche heranschafften. Der Bischof versprach Sündenablass für die "Hand- und Spanndienste". Dittmer sagt schmunzelnd: "Doar hept veel mitholpen." Schnell ist sie aber auch in der Gegenwart. "30 Paare haben sich hier letztes Jahr das Ja-Wort gegeben", sagt sie stolz. 1979 hat sie selbst in der "Olen Kerk" geheiratet. Die Kirchenführerin fragt die Gäste, wie sie sich in den Mauern fühlen. "Es ist gemütlich und angenehm kühl", ist das Echo am schwülheißen Tag.

Die Ausbildung der Kirchenführer vermittle natürlich Kunst- und Architekturgeschichte, erläutert Klaus Stemmann von "Kirche im Tourismus" der hannoverschen Landeskirche. Zugleich werde aber geübt, die Jahreszahlen mal beiseite zu lassen. Dann gehe es darum, ein guter Gastgeber zu sein und spirituelle Erfahrungen zuzulassen. "Auf dem Fußballplatz will man ja auch den Ball sehen. Kirchen sind dazu da, zu beten, sich zu freuen und auch mal traurig sein zu dürfen."

Über die wechselhafte Geschichte der Michaeliskirche in Hildesheim könnte Sophie-Christin Steinke stundenlang referieren. Die Kirche, für die der kunstsinnige Bischof Bernward von Hildesheim vor mehr als 1.000 Jahren den Grundstein legte, zählt zum Weltkulturerbe. Kirchenführerin Steinke gibt ihren Gästen aber zunächst außerhalb des monumentalen Baus im Klostergarten nur eine kurze Einführung. Singend ziehen sie dann durch den Kreuzgang in die Kirche.

Dabei bekommen die Teilnehmer der abendlichen liturgischen Führungen eine Kerze in die Hand. Dort wo sich das weite Kirchenschiff öffnet, spricht Sophie-Christin Steinke ein Meditationswort. Sie ist überzeugt: So können Besucher besser als mit bloßen Fakten die Vision des Gründers Bernward erfassen, der in der Kirche ein Abbild des himmlischen Jerusalems sah. "Wir möchten zeigen, was wir lieben", unterstreicht sie. "Das geht im berühmten Weltkulturerbe genauso wie in einer kleinen Dorfkirche."

13. Juli 2011