EKD-Ratschef: Neue Rolle der Bundeswehr im Grundgesetz verankern

Bonn (epd). Die veränderte Rolle der Bundeswehr sollte nach Ansicht des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, in der Verfassung verankert werden. "Ich bin der Meindung, dass wir eine Debatte brauchen über eine Veränderung unseres Grundgesetzes, damit das ordentlich geregelt ist", sagte der Präses der rheinischen Landeskirche im Fernsehsender Phoenix. Laut Verfassung sei die Bundeswehr eine reine Verteidigungsarmee, sie wandle sich jedoch zu einer Einsatzarmee.

Nach den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien solle die Bundeswehr nicht nur das Land verteidigen, sondern "jetzt auch vorgehen und aktiv im Zweifelsfall Krieg führen". Dies sei ein schleichender Prozess, über den öffentlich debattiert werden müsse. Schneider hält militärische Gewalt in bestimmten Fällen für gerechtfertigt, denn es gebe "menschenverachtendes Verhalten und zügellose Gewalt, die man nicht anders eindämmen kann".

Schneider verwies auf die von der EKD formulierten Kriterien für militärisches Eingreifen. Danach müssen alle anderen Mittel ausgeschöpft sein, der Einsatz muss unter UN-Mandat stehen und einen "rechtserhaltenden" Charakter haben. Zudem müsse es darum gehen, schwere Menschenrechtsverletzungen oder Völkermord zu verhindern.

Der internationale Militäreinsatz in Libyen könnte diesen EKD-Kritierien entsprechen, sagte der oberste Repräsentant des deutschen Protestantismus. Er habe aber wegen der Besonderheit der deutschen Geschichte "verhaltene Sympathie" für die Zurückhaltung der schwarz-gelben Bundesregierung in dieser Frage. Die Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über das Libyen-Mandat, bei der sich Deutschland enthalten hatte, nannte Schneider "unglücklich", dort hätte es womöglich auch "eine andere Möglichkeit gegeben".

02. September 2011


EKD-Ratsvorsitzender zum 11. September: Terror nicht religiös begründbar

Bonn (epd). Terrorismus kann nach Ansicht des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, nicht religiös gerechtfertigt werden. Nach den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center vor zehn Jahren sei diese Form des Terrors über lange Zeit zu Unrecht mit dem Islam verbunden worden, sagte Schneider im "Kamingespräch" des TV-Senders Phoenix. "Die meisten Muslime wollen wie wir in Frieden leben." Einige wenige missbrauchten diese Religion, um ihren Terror zu rechtfertigen.

Schneider räumte ein, dass trotz besonnener Reaktionen in den Religionsgemeinschaften "die Skepsis gegenüber Menschen muslimischen Glaubens etwa in unserer Bevölkerung enorm zugenommen hat, dass ein latentes Misstrauen da ist". Das zeige sich etwa an der Resonanz, auf die das umstrittene Buch "Deutschland schafft sich ab" des ehemaligen Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin gestoßen sei. Es gebe jedoch keinen "Kampf der Religionen".

Das Massaker an jungen Menschen in Norwegen durch den christlich-radikalen Gewalttäter Anders Breivik Ende Juli ist für Schneider ein Beispiel dafür, dass ein Potenzial des Missbrauchs von Religionen zur Rechtfertigung von Gewalt "in den monotheistischen Religionen angelegt" sei. Kein Mensch habe jedoch das Recht, sich in die Position Gottes zu begeben und die Menschen in Gut und Böse zu sortieren: "Es ist schiere Anmaßung, wenn man sich selber zum Vollstrecker des Willens Gottes erklärt."

Um religiösen Rechtfertigungen von Terror zu begegnen, hilft nach den Worten des rheinischen Präses nur, sich "den Mühen der Ebenen zu unterziehen: Aufklärung, freundschaftlich miteinander umgehen, für die Lebensrechte der Einzelnen eintreten". Es gehe darum, immer wieder mit langem Atem "aus dem eigenen Glauben heraus die Friedfertigkeit dieses Glaubens zu betonen, zu erklären und zu leben".

Das vorab aufgezeichnete Interview wird am Sonntag um 13 Uhr ausgestrahlt

02. September 2011