Bischof ruft Künstler zu "Koalitionen" mit der Kirche auf

Kultur-Kongress der evangelischen Kirche in Berlin eröffnet

Berlin (epd). In Berlin ist am Donnerstag der erste evangelische Kirchen-Kultur-Kongress eröffnet worden. Der Berliner Bischof Markus Dröge sprach sich dabei sich für neue "Koalitionen" zwischen Kirche und Kultur aus, um gemeinsam die Freiheit und die oftmals bedrohte Würde des Menschen zu verteidigen. Bis Sonntag wollen rund 400 Künstler, Theologen und Wissenschaftler über ästhetische und kulturpolitische Fragen sowie das Verhältnis von Kirche und Kultur debattieren.

Kirche und Kultur seien nicht aneinander gebunden oder abhängig voneinander, könnten jedoch "in spannungsvoller Freiheit Impulse in die Gesellschaft" einbringen, sagte der Bischof der evangelischen Kirche in Berlin und Brandenburg in der St. Elisabeth-Kirche. Die Zeit sei reif für solche Koalitionen. Der Kongress eröffne die Chance, Neues zu denken und zu tun; er sei ein "Club der Visionäre: für einen Glauben, der kreativ ist", sagte Dröge laut Redemanuskript.

Die Präses der Synode der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Katrin Göring-Eckardt, verwies darauf, dass Kultur ein Gemeinschaftsgut sei und nicht zum Luxus für wenige werden dürfe. Gerade die Volks-Kirche müsse dafür sorgen, dass Kultur nicht nur für bestimmte Menschen da sei, sondern für alle, unterstrich die Grünen-Politikerin laut Redemanuskript. Eliten und Eremiten, Alte und Junge, "solche mit Wänden voller Bücher und für solche, deren Fenster zur Welt ein Bildschirm ist" müssten gleichermaßen Zugang zur Kultur haben.

Die EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr forderte eine stärkere Öffnung der Kirche für zeitgenössische Kunstformen. Dass die Kirche selber Aufträge an Künstler vergebe, sei selten geworden, sagte die Theologin am Rande des Treffens dem epd. Die Kirche begnüge sich zu sehr, "an dem, was wir haben, an den großartigen Beständen", sagte Bahr mit Blick auf den Reichtum an sakraler Musik und Kunst. Es lohne aber, nach den Ausdrucksformen der Gegenwart zu fragen.

Zum Auftakt des Kongresses sollte am Abend das Musiktheaterstück "Paulus. Das ängstliche Harren der Kreatur" uraufgeführt werden - eine jazzige Komposition des Skandinaviers Thomas Jennefelt, die die EKD eigens für diesen Anlass in Auftrag gegeben hat. Die Hauptrolle spielt der aus Kino und Fernsehen bekannte Schauspieler Jens Schäfer: Sein Paulus ist nicht nur historische Figur, sondern auch ein moderner Mensch.

Der Deutsche Kulturrat würdigte Leistungen und Engagement der Kirchen in Sachen Kultur als "bemerkenswert und auszeichnungswürdig". Die Kirchen seien in den vergangenen Jahren zu einem "wichtigen und verlässlichen Partner im Kulturbereich" geworden, erklärte Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Dem früheren EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber solle am 28. September für seine kulturpolitischen Verdienste der "Kulturgroschen 2011" verliehen werden.

In acht Foren wird es in den nächsten Tagen unter anderem um Literatur, Theater, Musik, interkulturelle Fragen und Bildende Kunst gehen. Geplant sind Workshops, Lesungen, Konzerte und Filmaufführungen. Der Kongress endet am Sonntag mit einem Gottesdienst im Berliner Dom.

16. September 2011

"Rolle der Kirchenmusik stärken"


Drei Fragen an den Kirchenmusiker und Präsidenten des Sächsischen Musikrates, Christoph Krummacher

epd-Gespräch: Renate Kortheuer-Schüring

Frankfurt a.M./Berlin (epd). Der Leipziger Kirchenmusik-Professor und Präsident des Sächsischen Musikrates, Christoph Krummacher, hofft auf eine stärkere Wahrnehmung der Kirchenmusik und ihrer Bedeutung für das allgemeine Musikleben. Vom bevorstehenden Musik-Themenjahr der Lutherdekade, die auf das Reformationsjubiläum 2017 ausgerichtet ist, erwarte er nicht nur Traditionspflege, sondern auch spannende Neukompositionen, sagte Krummacher dem epd am Rande des Kirchen-Kultur-Kongresses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin.

epd: Herr Professor Krummacher, in Berlin findet noch bis Sonntag der erste Kirchenkulturkongresses der EKD statt. Was erwarten Sie als Kirchenmusikexperte von diesem Treffen?

Krummacher: Ich erhoffe mir, dass die Kirchenmusik wieder stärker und bewusst wahrgenommen wird. Keine der anderen Künste ist ja so sehr institutionell eingebunden in die Kirche wie die Musik. Und gerade weil die Musik mit einem eigenen Berufsstand in der Kirchen verankert ist - im Unterschied zu bildenden Künstlern oder Architekten etwa, ist die Kirchenmusik natürlich auch einer gewissen Gefährdung ausgesetzt.

epd: Heute wird überall gespart in den Kirchen, auch bei den Kantoren. Welchen Stellenwert hat denn da noch die Kirchenmusik?

Krummacher: Um das etwas bös klingende Wort der "Sonntagsreden" zu strapazieren: Es ist ja keine Frage, dass in offiziellen Verlautbarungen der große Stellenwert der Kirchenmusik immer wieder herausgestrichen wird. Aber: Die Tagesentscheidungen fallen oft anders aus. Gravierende Kürzungen bei der Kirchenmusik hat es in den letzten Jahren in fast allen Landeskirchen gegeben. Dabei geht es nicht nur um die reine Zahl der Stellen. Oft werden Stellen für Kirchenmusiker abgewertet - von einer A- auf eine geringer dotierte B-Stelle. Oder aber der Arbeitsumfang wird erheblich gekürzt - aus 100 Prozent werden dann 70 oder 65 Prozent, ohne dass aber gefragt wird, worauf verzichten wir denn jetzt. Dabei wird also oft mit unrealistischen Zahlen operiert. All das hat für die betroffenen Musiker unmittelbare soziale Folgen.

epd: Im Rahmen der Lutherdekade ist das Jahr 2012 der Musik im Protestantismus gewidmet. Was müsste geschehen, damit es aus ihrer Sicht ein erfolgreiches Jahr wird?

Krummacher: Wichtig ist, dass die Relevanz der Kirchenmusik für unser Musikleben überhaupt neu bewusst wird - durch vielerlei Veranstaltungen. Zum Anderen sollte auch deutlich werden, dass es nicht nur um die Pflege von Tradition geht: Der Aufhänger dafür, ausgerechnet 2012 der Musik zu widmen, war ja das 800-jährige Bestehen des Thomanerchors in Leipzig. Dabei ist interessant zu sehen, dass die Thomaner dieses Jahr mit einer Reihe von Auftragskompositionen begleiten, also mit ganz gezielt für diesen Anlass neu komponierten Werken. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt.

Und noch etwas anderes ist mir wichtig: Die Wittenberger Homepage www.luther2017.de bietet die Chance, Veranstaltungen publik zu machen, die sonst nicht so groß im Fokus stehen. Die unglaubliche Fülle dessen, was musikalisch in unseren Kirchen passiert, kann so in den Blick kommen: die Orgelkonzerte und Abendmusiken in versteckten sächsischen Dorfkirchen etwa. Und auch die vielen Musiker, die ohne große publizistische Plattform mit Hingabe und Treue ihre Arbeit machen, sollen sich als Teil des Vorhabens verstehen können. Es geht nicht nur um die großen Events, sondern auch um das Andere.

16. September 2011