Verfolgte Religionsgemeinschaft

epd-Gespräch: Jan Dirk Herbermann

Genf (epd). Christen sind nach Angaben der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) die am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft weltweit. In vielen Ländern außerhalb Europas würden Christen zu Opfern der Hetze durch staatliche Einrichtungen und andere Religionsgemeinschaften, sagte der scheidende KEK-Generalsekretär, Viorel Ionita, in einem epd-Gespräch in Genf.

Ionita beklagte Christenverfolgungen in arabischen Ländern wie Ägypten und Irak, aber auch in Afghanistan und Pakistan. Ebenso hätten die Christen in China und Nordkorea einen schweren Stand, sagte der orthodoxe Geistliche aus Rumänien. Bei blutigen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften in Ägypten Anfang der Woche starben rund zwei Dutzend koptische Christen. "Es reicht leider nicht mehr, nur für die Christen in diesen Ländern zu beten", betonte Ionita, der Ende Oktober in den Ruhestand tritt.

Der 65-jährige forderte die Regierenden in Europa auf, sich stärker für die Christen in anderen Teilen der Welt einzusetzen. Der Generalsekretär des mehr als 120 Mitgliedskirchen umfassenden Bundes erklärt sich die Christenverfolgung mit einer antiwestlichen Stimmung. "In einigen Ländern werden Christen verdächtigt, als Spione westlicher Mächte zu arbeiten." Die Christen würden mit Mächten identifiziert, die als Feind angesehen werden.

Ionita verlangte einen intensiven Dialog der christlichen Kirchen mit Vertretern des Islams. Nur durch Gespräche könnten Missverständnisse und Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften überwunden werden. Der Rumäne erinnerte an die Versöhnungsarbeit der deutschen Kirchen mit Kirchen aus Mittel- und Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Kirchen hätten damit einen Grundstein für das spätere Zusammenwachsen Europas gelegt, fügte Ionita hinzu.

Die Nachfolge Ionitas als KEK-Generalsekretär ist noch offen. Die KEK, die sich reformieren will, sucht derzeit einen Interimsgeneralsekretär, der bis 2015 die Geschicke des Kirchenbundes leiten soll. Ionita erklärte: "Da man nicht sagen kann, ob die KEK nach einer abgeschlossenen Reform noch einen Generalsekretär haben wird, suchen wir einen Interimsgeneralsekretär."

Eine KEK-Expertenkommission soll den Mitgliedskirchen Ende 2011 ein Reformkonzept vorlegen. Die Kirchen können die Vorschläge ergänzen oder modifizieren. Eine Vollversammlung der KEK soll 2013 in Budapest ein mögliches Reformkonzept verabschieden. Ionita leitet die KEK seit 2010. Er trat vorübergehend die Nachfolge des Briten Colin Williams an, der aus gesundheitlichen Gründen von seiner Position als KEK-Generalsekretär zurückgetreten war.

13. Oktober 2011