Studie über Zwangsarbeiter in hannoverscher Landeskirche

Sie schufteten in Krankenhausküchen und auf den Feldern. Im Zweiten Weltkrieg hat auch die hannoversche Landeskirche Zwangsarbeiter beschäftigt. Eine Studie beleuchtet nun deren Schicksal.

Hannover (epd). Mehr als 65 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hat die hannoversche Landeskirche die Zwangsarbeit in ihren Einrichtungen während der NS-Zeit erforscht. "Aus der Beteiligung von Kirche und Diakonie am System der Zwangsarbeit sind Schuld und Verantwortung erwachsen", sagte der Präsident des evangelischen Landeskirchenamtes, Burkhard Guntau, am Dienstag in Hannover bei der Vorstellung der Studie.

Die Autoren des Buches "Die fremden Nächsten" haben 135 Frauen und Männer namentlich ermittelt, die während des Nationalsozialismus zwangsweise für die hannoversche Kirche und Diakonie gearbeitet haben. Die wirkliche Zahl liegt nach ihren Recherchen jedoch höher. Die meisten von ihnen seien in der Landwirtschaft sowie als Haus- und Küchenhilfen tätig gewesen, sagte die Historikerin Uta Schäfer-Richter. Von den Menschen aus zwölf Nationen stammte die größte Gruppe aus der Sowjetunion, gefolgt von den Niederlanden.

Der Studie zufolge ging es den Zwangsarbeitern in kirchlichen Einrichtungen besser als etwa Zwangsarbeitern in der Industrie und Rüstungsproduktion. Das habe aber weniger an der generellen Einstellung der kirchlichen Einrichtungen als an den grundsätzlich menschlicheren Arbeitsbedingungen in der Land- und Hauswirtschaft gelegen, hieß es. Unter anderem waren in den Kästorfer Anstalten in Gifhorn, im Linerstift in Celle und in den hannoverschen Einrichtungen Annastift, Henriettenstift und Stephanstift Zwangsarbeiter eingesetzt.

Gemessen an zwölf Millionen Ausländern, die während der NS-Zeit in Deutschland als Zwangsarbeiter arbeiten mussten, sei der Anteil in kirchlichen Einrichtungen gering gewesen, sagte Guntau. Allerdings habe man das System nicht infrage gestellt: "Die Kirchen nahmen ihre Verantwortung als gesellschaftliches Gewissen nicht wahr."

Vor elf Jahren wurde der Entschädigungsfonds der Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" eingerichtet. Die hannoversche Landeskirche hat sich mit einer Million Euro an den zehn Millionen Euro beteiligt, die die Evangelische Kirche in Deutschland in den Fonds eingezahlt hat.

Buchhinweis: Die fremden Nächsten - Zwangsarbeit in der hannoverschen Landeskirche und ihrer Diakonie, Martin Engelhardt und Uta Schäfer-Richter, Landeskirchliches Archiv Hannover 2011, 171 Seiten

26. Oktober 2011