Evangelische Kirche fordert Lehren aus Finanzkrise

Die Sorge über die Folgen der Finanzkrise hat den Auftakt zur Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland bestimmt. Der Ratsvorsitzende Schneider forderte entschlossenes Handeln der Politik. Kritisch blickte er auf den Papstbesuch zurück.

Magdeburg (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) dringt auf Konsequenzen aus der internationalen Finanz- und Schuldenkrise. Die Stabilität ganzer Staaten sei bedroht, die Existenzgrundlage vieler Menschen gerate in Gefahr, sagte der Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider am Sonntag zum Auftakt der EKD-Synode in Magdeburg. Auch in Deutschland zeige sich eine wachsende soziale Kluft.

Schneider äußerte sich angesichts der Pläne in der CDU dankbar, dass die Politik wieder über Mindestlöhne diskutiere. "Eine volle Berufstätigkeit soll so entlohnt werden, dass ein eigenverantwortestes Leben möglich ist", sagte der rheinische Präses unter dem Applaus der Delegierten. Von den Folgen der Finanzkrise seien weltweit die Armen am stärksten betroffen. "Wir benötigen eine Politik, die Finanzakteure so zügelt und Finanzstrukturen so steuert, dass sie nicht der Bereicherung Einzelner, sondern dem Leben vieler Menschen dienen", forderte Schneider, der an der Spitze der EKD rund 24 Millionen Protestanten in Deutschland repräsentiert.

Auch der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß, forderte in einem epd-Gespräch internationale Maßnahmen zur Eindämmung der Spekulation. Aus der schweren Wirtschaftskrise nach der Pleite der US-Großbank Lehman Brothers vor drei Jahren sei "herzlich wenig" gelernt worden, kritisierte Buß: "Es ist weiter möglich, sozusagen gegen Staaten zu spekulieren." Kernproblem sei, "dass das Finanzkapital und seine Gesetzmäßigkeiten die Politik vor sich her treiben".

Im Eröffnungsgottesdienst zur viertägigen Synodentagung hatte die mitteldeutsche Bischöfin Ilse Junkermann am Morgen im Magdeburger Dom zum Maßhalten aufgerufen. Es zeige sich, "wie wir über unsere Verhältnisse leben und immer noch auf weiteres Wachstum setzen - als gäbe es keinerlei Grenzen".

EKD-Ratschef Schneider unterstrich in seinem Bericht an das Kirchenparlament auch die Enttäuschung der Protestanten über das Treffen mit Papst Benedikt XVI. im September in Erfurt. "Brennende Fragen des ökumenischen Dialogs wurden gar nicht oder nur missverstehend und missverständlich angesprochen", sagte er. Konkrete Anstöße für die theologische Weiterarbeit in den Fragen des Amts- und des Kirchenverständnisses seien ausgeblieben.

Vor allem der vom Papst gebrauchte Begriff "Gastgeschenke" habe für Irritationen gesorgt. "'Gastgeschenke' hat niemand erwartet, wohl aber inhaltliche Impulse", sagte Schneider zum Auftakt der Beratungen des evangelischen Kirchenparlaments. Der Papst hatte in seiner Predigt im Gottesdienst mit der Spitze der EKD erklärt, er habe kein "ökumenisches Gastgeschenk" dabei. Damit wurden Hoffnungen enttäuscht, das Treffen könnte in strittigen Fragen wie einem gemeinsamen Abendmahl und dem Umgang mit konfessionsverschiedenen Ehepaaren eine Annäherung bringen.

Der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige verteidigte die Äußerungen des Papstes und rief die EKD zu weiterem Bemühen in der Ökumene auf. Trotz mancher Irritationen, Missverständnisse und Enttäuschungen gelte es, sich weiterhin um verantwortbare Lösungen zu bemühen, sagte Feige in einem Grußwort an die Synode. Der Papst habe in Erfurt weder die "drängenden Anfragen und Probleme" nivelliert, noch die Fortführung theologischer Dialoge infrage gestellt, sagte Feige. Vielmehr habe er die Gottesfrage in den Mittelpunkt gerückt. Vordringlich sei für Benedikt XVI., "dass wir nicht einem wachsenden Säkularisierungsdruck nachgeben, sondern uns auf einen gemeinsamen christlichen Glauben besinnen".

Im Mittelpunkt der Beratungen des EKD-Kirchenparlaments in Magdeburg steht ab Montag das Schwerpunktthema Mission, also die Frage, wie Menschen für den christlichen Glauben gewonnen werden können. Die EKD ist die Gemeinschaft der 22 evangelischen Landeskirchen in Deutschland.

06. November 2011