Staatsrechtler: Schule ist kein "religionsfreier" Raum

Berlin (epd). Die Entscheidung in dem Rechtsstreit über Beten in der Schule verdient nach Ansicht des Staatsrechtlers Hans Michael Heinig grundsätzliche Zustimmung. Das Bundeswaltungsgericht habe zutreffend hervorgehoben, dass ein Verbot religiöser Handlungen von Schülern nur bei einer Gefährdung des Schulfriedens in Betracht komme, sagte Heinig am Mittwoch dem epd. Als Grundrechtsträger sei der Schüler auch in der Schule berechtigt, seine Lebensführung an der eigenen religiösen Lehre auszurichten. "Die öffentliche Schule ist kein 'religionsfreier' Raum, sondern offen für die Religionen ihrer Schüler."

Nach mehrjährigem Streit hat das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch die Revision des muslimischen Schülers Yunus M. zurückgewiesen, der das Recht zum Gebet auf dem Schulgelände einklagen wollte. Die religiös-weltanschauliche Neutralität verpflichte die Schule, aber nicht den Schüler, sagte Heinig, der das Kirchenrechtliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland leitet. Das Grundgesetz enthalte eine Absage an den Laizismus, die strikte Trennung von Staat und Kirche. Religiöse Konflikte seien vorrangig pädagogisch zu lösen und nicht mit Verboten und der Verdrängung der Religion aus dem öffentlichen Raum.

Das Bundesverwaltungsgericht habe sich bei seiner Entscheidung an die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichtes Berlin gebunden gesehen, dass im konkreten Fall tatsächlich der Schulfrieden aufgrund der besonderen Schulsituation vor Ort gefährdet sei, argumentierte der Rechtswissenschaftler. Ob diese Feststellung über jeden Zweifel erhaben sei, müsse man bezweifeln. Die Vorinstanz habe nachvollziehbar dargelegt, dass die ethnische und religiöse Vielfalt an der Schule zwar für Spannungen sorge, das Beten des Schülers in der Pause diese Spannungen aber weder verursache noch vertiefe.

Insoweit bleibe der "schale Beigeschmack", dass das Oberverwaltungsgericht auf fragwürdige Weise eine rein "symbolpolitische Maßnahme der Schulleitung abgesegnet hat". Das Bundesverwaltungsgericht habe sich aus prozessrechtlichen Gründen gehindert gesehen, diese Entscheidung zu korrigieren.

30. November 2011