Kirchenbund warnt vor Sparprogrammen zulasten der Armen

Wien/Brüssel (epd). Unmittelbar vor dem EU-Gipfel haben die evangelischen Kirchen in Europa die Sorge geäußert, dass vor allem die Schwächeren zu Leidtragenden der Finanz- und Schuldenkrise würden. Die unvermeidliche Anpassung der Sozialsysteme habe schon jetzt zur Folge, dass mehr Menschen in Armut und Arbeitslosigkeit abglitten, heißt es in einer Stellungnahme der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen, die am Mittwoch in Wien veröffentlicht wurde. Bei allen Sparprogrammen und Reformen müssten die Prinzipien Solidarität und Subsidiarität gewahrt werden: "Der Stärkere kann mehr Lasten tragen als der Schwächere." Die gelte auch für die Lastenverteilung zwischen den EU-Staaten.

In der Gemeinschaft Europäischer Kirchen in Europa sind 105 protestantische Kirchen zusammengeschlossen. Sitz des Kirchenbundes ist Wien. Die aktuelle Finanzkrise offenbare eine massive Ungerechtigkeit, kritisieren die Kirchen. "Die Gewinne werden privatisiert, aber die Verluste und Risiken sozialisiert." Zur Überwindung der Krise und dem Schuldenabbau müsse deshalb die Finanzwirtschaft stärker herangezogen werden. In diesem Zusammenhang unterstützen die Kirchen Bemühungen, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Die EU-Kommission hatte im September eine europaweite Transaktionssteuer vorgeschlagen, um Spekulationen an den Finanzmärkten einzudämmen.

Die Finanzkrise sei zugleich einen Krise des Vertrauens, erinnern die Kirchen. "Wir verstehen die tiefgreifende Beunruhigung der Menschen als eine Aufforderung zum Wiedergewinn des politischen Primats der Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft gegenüber den anonymen Märkten." Die aufgehäuften Probleme dürften nicht auf die nachfolgenden Generationen abgewälzt werden. Hinter der Überschuldung stehe auch die Frage nach dem westlichen Lebensstil, argumentieren die Kirchen. Das Leben auf "unbegrenzten Kredit" sei an Grenzen gestoßen.

07. Dezember 2011