Trier vor der Heilig-Rock-Wallfahrt 2012

Der Heilige Rock gilt als bedeutende katholische Reliquie. Zuletzt im Jahr 1996 zu sehen, wird das angebliche Gewand Jesu ab Mitte April wieder in Trier gezeigt. Das Bistum erwartet 500.000 Pilger zur Heilig-Rock-Wallfahrt.

Von Marlene Grund (epd)

Trier (epd). Wenn es um die Bedeutung des Pilgerns geht, ist für den Trierer Bischof Stephan Ackermann neben der spirituellen und sportlichen Dimension auch die geschichtliche wichtig: "Der heutige Pilger macht sich auf Wege, die schon seit Generationen mit Schweiß und Mühe gegangen wurden." Da spielt es dann kaum eine Rolle, ob es nach Santiago de Compostela oder nach Trier geht. Die Moselstadt erwartet vom 13. April bis 13. Mai eine halbe Million Pilger zur Heilig-Rock-Wallfahrt.

Sieben ausgewählte Pilgerrouten zwischen 39 und 188 Kilometern führen aus dem Saarland, der Pfalz, Luxemburg, aus Prüm, Aachen und Bad Kreuznach nach Trier. 3,2 Millionen Euro investiert das Bistum in das Ereignis. Die Moselstadt hat Erfahrungen mit Wallfahrten. Im Jahr 1512 ließ Kaiser Maximilian I. das angebliche Gewand Jesu zum ersten Mal öffentlich ausstellen, zuletzt zu sehen war die Reliquie im Jahr 1996.

Dass sich auf Einladung des Trierer Bischofs auch die Evangelische Kirche im Rheinland an der Wallfahrt beteiligt, ist für manche ein unerwarteter Schritt in Sachen Ökumene. Wetterte doch Martin Luther gegen die 'Bescheißerei zu Trier', nachdem Papst Leo X. im Jahre 1515 die Echtheit des dort aufbewahrten Gewandes behauptete. Nur zwei Jahre später begann mit Luthers Thesen zu Ablass und Buße die Reformation.

Doch die Kontroversen von einst spielen für den rheinischen Präses und Vorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, heute keine Rolle mehr. "Was zur Zeit der Reformation an Kritik geäußert wurde, hat mit dem ökumenischen Partner von heute nichts mehr zu tun", sagt Schneider. Die Wallfahrt sei eine authentische Form des Glaubens, "zu der ich auch als evangelischer Christ einen unmittelbaren Zugang habe".

Ob die bräunlich schimmernde Tunika, die zwischen den Wallfahrten in einem Glasschrein im Trierer Dom verwahrt wird, nun Reliquie oder lediglich ein historisches Ausstellungsstück ist, wird im Bistum Trier heute nicht mehr gefragt. Kein Mensch sei verpflichtet, an die Echtheit des Gewandes zu glauben, sagt Wallfahrtleiter Georg Bätzing. "Wir verehren kein Tuch hier, wir verehren Christus."

Nach biblischem Zeugnis würfelten römische Soldaten nach der Kreuzigung Jesu um den Stoff, um ihn nicht zerschneiden zu müssen. Seither wird der Rock theologisch als Symbol für die Einheit der Christenheit gedeutet. Schneider sieht darin ein eindrückliches ökumenisches Symbol, "dass wir in Christus eins sind". Das Bistum Trier hat Christen aller Konfessionen eingeladen, neben der evangelischen Kirche auch Orthodoxe und Freikirchen.

Die Zeiten, in denen die Trierer Wallfahrten eine antiprotestantische Demonstration waren, sind vorbei. Bischof Ackermann verzichtet darauf, in Rom einen besonderen Ablass für die Heilig-Rock-Wallfahrt zu erbitten.

Die ökumenische Dimension der Wallfahrt begann Mitte der 90er Jahre, als der damalige rheinische Präses Peter Beier (1934-1996) zusammen mit Vertretern anderer Konfessionen von der evangelischen Konstantin-Basilika zum Trierer Dom pilgerte und eigens zwei Gebete und ein Pilgerlied schrieb.

Den damals geprägten Satz "Wir sind gemeinsam auf dem Weg zu Christus" hält Schneider für entscheidend. "Damit können wir Evangelische einverstanden sein." Die Schritte in der Ökumene gehen indes weiter: Zum Reformationsjubiläum im Jahr 2017 will die rheinische Landeskirche eine Gegeneinladung an das Bistum Trier aussprechen.

05. Januar 2012