Protestanten in Europa für Gewissensfreiheit beim Thema Sterbehilfe

Bad Neuenahr (epd). Die protestantischen Kirchen in Europa lehnen Forderungen nach einem Recht auf Suizid oder eine Tötung auf Verlangen ab. Dennoch sei die Achtung der Gewissensfreiheit auch beim Thema Sterbehilfe ein zutiefst christlicher Grundsatz, sagte der Wiener Sozialethiker Ulrich H.J. Körtner am Dienstag in Bad Neuenahr. Der Glaube an die Auferstehung führe auch zu einer Relativierung des Lebens: Es sei nicht das höchste Gut.

Die Freiheit eines Christenmenschen schließe "die Freiheit nicht nur im Sterben, sondern auch zum Sterben ein", unterstrich der Theologieprofessor. Körtner stellte der rheinischen Landessynode die Orientierungshilfe "Eine Zeit zum Leben, eine Zeit zum Sterben" vor, die von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa im Sommer 2011 veröffentlicht wurde. Ziel des Dokumentes sei es, die wichtigsten moralischen und ethischen Anliegen von Sterbehilfe und Lebensende zu benennen.

Der Zusammenschluss von 105 protestantischen Kirchen vertritt Körtner zufolge beim Thema Sterbebegleitung und Sterbehilfe zwar keine einheitlich Position, aber eine deutlich andere als die katholische Kirche. Auch in Deutschland werde in manchen katholischen Pflegeeinrichtungen Patienten das Recht abgesprochen, auf Sondenernährung zu verzichten, sagte der Sozialethiker. Diese Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts seien nicht nur mit der geltenden Medizinethik, sondern auch mit einem protestantischen Verständnis von Gewissensfreiheit unvereinbar. "Der Grundsatz des Lebensschutzes legitimiert weder ethische noch rechtlich die Bevormundung und Entmündigung von Patienten", sagte Körtner.

10. Januar 2012