Kirchhof: Kirche soll sich in Finanzkrise offensiv zu Wort melden

Würzburg (epd). Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof hat die Kirchen ermutigt, sich in der Finanzkrise offensiv zu Wort zu melden. Es sei die Kernaufgabe der christlichen Kirchen, Maßlosigkeit anzuprangern, sagte Kirchhof am Mittwochabend beim Diözesanempfang des Bistums Würzburg. Wer auf den Niedergang von Staaten oder Unternehmen wettet, der müsse mit kritischen Fragen rechnen. "Kirchliche Lehre und rechtliche Lehre müssen Störenfriede sein", sagte Kirchhof.

Die Grundprinzipien des Wirtschaftens seien in dieser Krise ins Trudeln geraten. "Wir haben eine florierende Realwirtschaft, aber eine aus dem Ruder gelaufene Finanzwirtschaft", sagte der Heidelberger Professor. "Das Sammeln von Früchten über eigenen Bedarf hinaus macht nur Sinn, wenn man teilt", erläuterte Kirchhof. Dieses Urprinzip des Handels gelte bis heute, staatliches Recht und kirchliche Lehre begegneten sich dabei besonders: "Welchen Bedarf eines anderen Menschen aber hat jemand befriedigt, der seinen Gewinn mit Spiel und Wette erzielt hat?"

Kritik übte Kirchhof an der Politik, der die Erosion christlicher Werte wie Ehe und Familie in der heutigen Gesellschaft mehr oder minder egal sei. "Warum spannt der Staat einen Rettungsschirm, wenn im Finanzmarkt etwas schiefläuft, wenn Anleger nach riskanten Geschäften der Verlust des Einsatzes droht, aber warum spannt er keinen Rettungsschirm, wenn ein Stück seiner kulturellen Grundlage verloren zu gehen droht?" Deutschland sei das sechstreichste Land der Erde, beim Kinderreichtum lande es aber nur auf dem 194. Platz.

12. Januar 2012