Kulturbeauftragte Bahr für Verzicht auf öffentliche Bußübungen

Unter dem Eindruck der Affäre um Bundespräsident Christian Wulff rät die evangelische Kulturbeauftragte Petra Bahr, auf öffentliche Bußübungen zu verzichten. Die vergangene Wochen hätten gezeigt, was passiere, "wenn wir das Jüngste Gericht selbst aufführen", schreibt Bahr in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstagsausgabe). Die "Tribunalisierung unserer Gesellschaft" erzeuge eine Paranoia ohne einen zornigen Gott. "Wir haben einfach seine Stelle eingenommen. Aber wir spielen ihn schlecht."

Bahr schreibt: "Der christliche Gott will in diesem Gericht nicht demaskieren, beschämen oder um jeden Preis gewinnen." Das Jüngste Gericht relativiere menschliche Urteile. Dort habe weder der Zynismus der Richtenden noch der Zynismus der Mächtigen Platz. Selbstbegnadigung sei dann ebenso töricht wie höchstrichterliche Amtsanmaßung einer gnadenlosen Öffentlichkeit. "Lassen wir Gott das letzte Gericht. Dann kriegen vielleicht auch die öffentlichen Prozesse wieder ein anderes Augenmaß", schreibt der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Kritisch äußert sich die evangelische Theologin auch über Begleiterscheinungen der Affäre Wulff. "Es gibt einen unheimlichen Zusammenhang zwischen der medialen Jagd nach immer neuen Einzelheiten der Verfehlungen während der Amtszeit von Christian Wulff als Ministerpräsidenten und den Selbstabschottungsstrategien des Staatsoberhauptes und seiner Berater."

Jenseits der Inszenierung "entziehen sich die gesellschaftlichen Eliten öffentlicher Blicke und überziehen sich mit einer Teflonschicht, an der jedes Urteil und jede Kritik abzuperlen scheint", schreibt Bahr. Die Medien wiederum erzeugten ein Rauschen, das nur schwer unterscheiden lasse, was eine für die politische Kultur wichtige Information oder was Häme als Folge übertriebener, aber unbefriedigter Erwartung an die Makellosigkeit von Politikern sei.

09. Februar 2012