Beten in der Schneekirche

"Weißes Wunder" lockte bisher mehr als 20.000 Besucher

Leicht haben es die Besucher der Schneekirche nicht: Sie müssen zunächst etwa 300 Meter den derzeit schneebedeckten Berg hoch stapfen, bis sie durch die aus Eisblöcken gefertigten Tore gehen können. Kerzen sorgen im Innern für warmbläuliches Licht.

Mitterfirmiansreut (epd). Es ist ein wirklich ungewöhnlicher Sakralbau, die Schneekirche im niederbayerischen Mitterfirmiansreut: Im Inneren erwartet die Kirchgänger ein Altar und Kreuz auf Eis, die Besucher nehmen auf Sitzbänken aus Eis Platz. Der Rest des "Weißen Wunders", wie die Mitterfirmiansreuter ihr Werk gerne nennen, besteht nur aus Schnee. Das weiße Gebilde von 26 Metern Länge, elf Metern Breite und knapp 19 Metern Turmhöhe thront seit dem 28. Dezember über dem Ski-Ort im Landkreis Freyung-Grafenau. Am Mittwochabend feierten rund 30 Gläubige dort einen ökumenischen Gottesdienst.

"Das Licht bricht sich durch die Eisblöcke, verschiedene Farben werden sichtbar, vor allem blau und die warmen Töne, das ist wirklich eine ganz tolle Atmosphäre hier", staunt Sonja Schuster. Die evangelische Pfarrerin der Kirchengemeinde Grafenau ließ sich bei ihrer Predigt vor allem vom Propheten Elija inspirieren: "Ich musste an Elija denken, der in seiner Höhle sitzt und sich nicht so recht raus traut, und dem dann Gott auf eine ganz andere Weise begegnet, nämlich im Zarten, in der Hoffnung."

Auch die Gottesdienst-Besucher aus Nah und Fern zeigten sich begeistert: "Ich finde es einfach großartig, so ein Kunstwerk herzustellen. Es beeindruckt mich sehr. Da kommt eine ganz besondere Stimmung auf, wenn man in dieser Kirche betet", sagt ein Tourist aus Baden-Württemberg.

Die Schneekirche blickt auf ein besonderes geschichtliches Ereignis zurück: Im Jahr 1911 bauten die Bewohner von Mitterfirmansreut aus Protest eine Schneekirche, weil sie in ihrer Gemeinde keine eigene Kirche hatten. Sie mussten für einen Gottesdienstbesuch stets den beschwerlichen Fußmarsch ins acht Kilometer entfernte Mauth zurücklegen. Als die Dorfbewohner an Weihnachten 1910 nicht nach Mauth marschieren konnten, weil die Reise zu gefährlich gewesen wäre, beschlossen sie, ihre eigene Kirche zu bauen.

"Der Bischof hat ihnen aber keinen Zuschuss gegeben. Baumaterial hatten die Bewohner auch nicht. Nur Schnee hatten sie genug, deshalb haben sie aus Schnee eine Kirche gebaut", erinnert Heinrich Herzig vom Förderverein "100 Jahre Schneekirche Mitterfirmiansreut". Um das historische Jubiläum gebührend zu feiern, gründete sich der Förderverein.

Um an die Protestaktion vor 100 Jahren zu erinnern, hatten ehrenamtliche Helfer in den vergangenen Monaten alle Hände voll zu tun, denn eine Hiobsbotschaft jagte die nächste. Erst kam der benötigte Schnee zum Bau der Kirche viel zu spät, schließlich hätte die Kirche schon am 17. Dezember 2011 eröffnet werden sollen. Dann blieben Fördergelder aus Brüssel aus. Die Mitterfirmiansreuter gaben aber nicht auf und schafften es dank vieler Spenden, den Kuppelbau aus rund 1.100 Kubikmeter Schnee zu errichten.

Das "Weiße Wunder" im Bayerischen Wald hat bisher schon knapp 20.000 Besucher angelockt und damit die Erwartungen der Initiatoren weit übertroffen: "Wir hätten nie mit dieser Resonanz gerechnet", sagt Vorstandsmitglied Herzig. Wie lange das eisige Bauwerk noch stehen bleiben kann, hängt einzig und allein vom Wetter ab.

16. Februar 2012