Zustimmung für Kandidaten Gauck in der evangelischen Kirche

In der evangelischen Kirche gibt es für den Bundespräsidenten-Kandidaten Joachim Gauck (72) breite Zustimmung. Der evangelische Theologe und ehemalige Pfarrer bringe gute Voraussetzungen für das hohe Amt mit und genieße ein großes Vertrauen in der Bevölkerung, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, am Montag in Berlin. Dem Präsidentenamt könne Gauck zu neuem Ansehen verhelfen, zeigte sich der EKD-Repräsentant überzeugt.

Am Sonntagabend hatten sich die Spitzen der schwarz-gelben Koalition sowie von SPD und Grünen darauf verständigt, dass der langjährige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde und ehemalige DDR-Bürgerrechtler Gauck neuer Bundespräsident werden soll. Zustimmung dazu kommt aus Gaucks Heimatkirche. Er wünsche ihm, "dass er nach den Enttäuschungen der jüngsten Präsidentschaft nicht mit übermenschlichen Erwartungen konfrontiert wird", sagte der mecklenburgische Landesbischof, Andreas von Maltzahn. Er erinnerte an das Wirken von Joachim Gauck als Pastor in Mecklenburg und an seine Rolle in der friedlichen Revolution im Herbst 1989. "Beides ist in unserer Landeskirche in bester Erinnerung."

Gauck war als Gemeindepastor zunächst ab 1967 in Lüssow (Landkreis Rostock) und dann ab 1971 in Rostock tätig. Zudem war er Vorsitzender des Kirchentagsausschusses in Mecklenburg. Durch diese Arbeit sei er sehr bekanntgeworden, "vor allem durch seine Reden und Predigten", hieß es aus der Pressestelle der mecklenburgischen Landeskirche. Im November 1990 sei Gauck auf eigenen Antrag aus dem Dienst als Pastor in der Landeskirche entlassen worden. Er bekomme deswegen auch keine Versorgungsleistungen der Landeskirche.

Begrüßt wird die Nominierung Gaucks auch vom Vorsitzenden der Nordelbischen Kirchenleitung und Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich. "Joachim Gauck ist eine in jeder Hinsicht überzeugende Persönlichkeit", sagte Ulrich am Montag in Kiel. Es sei ein Zeichen von Verantwortung, dass die beteiligten Parteien politisches Kalkül zurückgestellt und sich schnell auf den unabhängigen Kandidaten hätten einigen können, sagte der Bischof.

Ulrich bezeichnete den evangelischen Theologen Gauck als eine Persönlichkeit, "die unabhängig und klar im christlichen Glauben gegründet für die Menschen eintritt". Dem designierten Staatoberhaupt sei zuzutrauen, "aus eigener Unabhängigkeit und Bindung zugleich eine neue Lust an der Demokratie, an Zivilcourage und zivilem Engagement zu entfachen".

Der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer begrüßte ebenfalls die Nominierung, warnte zugleich aber vor zu hohen Erwartungen. Wenn jemand, der für die Freiheit gekämpft habe, nun an der Spitze stehe, sei das "eine gute Sache", sagte Schorlemmer dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Wittenberg. Der Kandidat werde aber noch erweisen müssen, dass er neben Lobliedern auf die bürgerliche Freiheit noch andere Schwerpunkte setzen könne.

Das Staatsoberhaupt müsse auch für diejenigen sprechen, die sich die Freiheit nicht leisten können, ergänzte Schorlemmer: "Andersgesagt: Die Freiheitsfrage muss immer auch mit der Brotfrage verbunden werden."

Der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad wertete die Nominierung von Gauck als ein gutes Zeichen für die Funktionsfähigkeit der Demokratie. Dass diese Entscheidung im Konsens gefallen und von einer parteipolitisch motivierten Kandidatur abgesehen worden sei, gebe dem künftigen Staatsoberhaupt die Chance, mit seiner besonderen Vertrauenswürdigkeit und Unabhängigkeit Präsident aller Bürger zu werden, sagte Schad in Speyer.

20. Februar 2012