Sozialethiker: Neuregelung für Organspende kein Durchbruch

Frankfurt a.M. (epd). Die angestrebte Neuregelung bei den Organsspenden ist nach Ansicht des evangelischen Sozialethikers Ulrich Körtner eine "Schein-Lösung" und kein Durchbruch. Die vorgeschlagene Entscheidungslösung lasse eine ganze Reihe von Fragen offen, sagte der in Wien lehrende Theologe in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Als Beispiel verweist er auf mögliche Widersprüche zwischen der Zustimmung zur Organspende und Festlegungen in einer Patientenverfügung.

"Hier könnte sich noch rächen, dass die deutsche Regelung für verbindliche Patientenverfügungen an sich schon unzureichend ist." Ein Widerspruch könne es geben, wenn trotz Bereitschaft zur Organspende in der Patientenverfügung eine intensivmedizinische Behandlung abgelehnt wird. Denn eine Organentnahme sei nur unter hohem intensivmedizinischem Einsatz möglich, gibt Körtner zu Bedenken.

Angesichts des Mangels an Spendeorganen hatten sich die Bundestagsparteien von Koalition und Opposition am Donnerstag auf eine Reform des Transplantationsgesetzes verständigt. Danach soll sich künftig jeder Erwachsene in Deutschland für oder gegen eine Spende entscheiden. In regelmäßigen Abständen sollen die Versicherten schriftlich befragt werden, ob sie zur Organspende bereit sind. Bisher ist nur potenzieller Spender, wer einen entsprechenden Ausweis hat.

Ob die Entscheidungslösung den gewünschten Effekt einer Erhöhung des Aufkommens an Spenderorganen haben wird, werde sich in Zukunft zeigen, sagte der Ethiker. Der deutsche Weg sei allerdings halbherzig. "Konsequenter wäre eine Widerspruchslösung, wie es sie in Österreich gibt." Dort gilt als potenzieller Organspender, wer sich nicht in ein Widerspruchsregister eintragen lässt.

Dieses Verfahren sei allerdings ethisch nicht unproblematisch. Für Körtner ist es fragwürdig, aus einem fehlenden Widerspruch auf eine Zustimmung zu schließen, weil ein Großteil der Bevölkerung die Spielregeln der Widerspruchslösung nicht kenne. Eine "ethisch saubere Lösung" wäre es hingegen, wenn die Bevölkerung besser aufgeklärt und regelmäßig auf die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen wird.

Der Theologe verweist darauf, dass neuerdings auch das sogenannte Hirntodkriterium, das für die deutsche Organspende-Regelung maßgeblich ist, wieder in die Diskussion geraten sei. Von namhaften Medizinethikern werde dieses Kriterium, wonach nach dem Eintreten des Hirntodes eine Organentnahme möglich ist, offen infrage gestellt.

02. März 2012