Käßmann plädiert für kritischen Umgang mit Luther - "Reformation war nicht tolerant"

Margot Käßmann, frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), plädiert anlässlich des Reformationsjubiläums im Jahr 2017 für eine kritische Auseinandersetzung mit Martin Luther. Die protestantische Bewegung sei in ihren Anfängen nicht tolerant gewesen, sagte die 53-jährige Theologin, die am 27. April von der EKD in das Amt einer Botschafterin für das Reformationsjubiläum eingeführt wird. Die Reformation habe sich sehr scharf vom römischen Katholizismus abgesetzt. "Auch Luthers Haltung gegenüber den Juden ist ein belastendes Erbe", sagte Käßmann im Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Zwei Jahre nach ihrem Rücktritt als EKD-Ratsvorsitzende und hannoversche Bischöfin geht Käßmann für die evangelische Kirche wieder in die Öffentlichkeit und will bis 2017 im In- und Ausland bei Gottesdiensten und Vorträgen für das Jubiläum 500 Jahre Reformation werben. "Es ist ein reformatorisches Erbe, sich eine eigene Meinung zu bilden und dazu stehen zu können", sagte Käßmann: "Wir sollten selbst mitdenken, selbst nachdenken und nicht nachkauen, was irgendein Dogmatiker, eine politische Partei oder andere vorgeben."

Als künftige EKD-Botschafterin plädiert Käßmann dafür, das Reformationsjubiläum ökumenisch zu feiern. Es sei offensichtlich, dass Christen in der Ökumene mehr verbinde als trenne. In ihren Augen ist die reformatorische Kirche keine neue Kirche gewesen: "Es geht um eine Kirche, die sich im 16. Jahrhundert auf zwei verschiedene Wege begeben hat." Ob gefeiert werden könne, dass aus der tiefen Spaltung auch wieder eine Annäherung geworden ist, sei noch eine Frage. Ein Zusammenleben mit anderen Konfessionen und Religionen sei heute unverzichtbar.

An ein gemeinsames Abendmahl von katholischen und evangelischen Christen bis 2017 glaubt Käßmann indes nicht. Sie sehe, wie sehr sich dies ökumenisch gesinnte Katholiken und Protestanten wünschen. Realistisch sei es aber nicht.

2017 jährt sich der Thesenanschlag Martin Luthers (1483-1546) an die Schlosskirche in Wittenberg zum 500. Mal. Das Ereignis gilt als Beginn der weltweiten Reformation. Der Deutsche Evangelische Kirchentag und das EKD-Kirchenamt sind darüber im Gespräch, 2017 in Wittenberg eine Großveranstaltung zu organisieren. Der Ort des Kirchentags im Jahr des Reformationsjubiläums steht nicht fest. Im Gespräch ist unter anderem Berlin.

Die Jahre bis 2017 gestaltet die EKD im Rahmen einer so genannten Lutherdekade. Dieses Jahr steht unter dem Motto Reformation und Musik, 2013 heißt das Thema Reformation und Toleranz. "Luther konnte sich eine Situation wie heute nicht vorstellen", sagte Käßmann. Er sei "kein wirklich großes Beispiel für Toleranz etwa gegenüber dem Islam" gewesen. "Gerade das können wir zum Anlass nehmen, über Toleranz zu diskutieren." Sie sehe es als Herausforderung an, über das Zusammenleben der Religionen auf der Grundlage des reformatorischen Erbes zu sprechen.

03. April 2012

www.luther2017.de